benedikt xvi. – licht der welt

Peter Seewald interviewt Papst Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger und agiert dabei als Fan der Katholischen Kirche im Gewand eines seriösen Journalisten. Vielleicht mag das in dieser Form kirchenintern okay sein, aber einen kritischen Ansatz zu den Bemerkungen des Papstes, trotz aller kritischen Ansätze beim Fragen, vermisst man doch schmerzlich. Spätestens wenn Seewald ein „brasilianisches Model“ mit Allerweltsweisheiten anführt, knirscht der Leser mit den Zähnen. Und dann all diese albernen Tatsachenbehauptungen Seewalds, die glauben machen, es gehe in diesem Buch auch um die Ansichten Seewalds, und nicht allein um ein Gespräch mit dem Papst. Warum schreibt Seewald nicht ein eigenes Buch, wenn er sich genötigt fühlt, die Position der Katholischen Kirche zu rechtfertigen?

Aber es passt auch irgendwie zu dem, was der Papst da von sicht gibt. Der Papst ist und bleibt halt auf seine Weise Fundamentalist, zieht sich immer wieder auf selbsterfüllende Prophezeiungen zurück. Schwulsein ist halt unnatürlich – obwohl es doch dauernd in der Natur vorkommt – und soll nicht Anreiz zum Priesterwerden sein. Sexverzicht sei ebenso von Gott auferlegt, wasimmer das genau heißen soll. Letzten Endes wird immer auf irgendetwas Unbelegbares verwiesen, keine einzige derartige Ansicht ist belegbar. Immerhin verweist der Papst auf eine angebliche Immerverfügbarkeit von Kondomen und lässt im Raume stehen, ob dies eine akzeptable Möglichkeit sein soll.

Aber auch sonst ist es interessant, was der Papst da vom Stapel lässt:

Die monogame Ehe gehört zum Fundament, auf dem die Zivilisation des Westens beruht. Wenn sie zusammenbricht, bricht Wesentliches unserer Kultur zusammen.

In der Sicht der Katholischen Kirche bricht immer irgendwas zusammen, wenn man an ihren fundamentalistischen Sichtweisen rüttelt. Warum sollte überhaupt gleich etwas zusammenbrechen, wenn Monogamie nicht der Standard bleibt?

Ein Großteil der heutigen Philosophen besteht tatsächlich darauf, zu sagen, der Mensch sei nicht wahrheitsfähig. Aber so gesehen wäre er auch nicht zum Ethos fähig.

Ja, der Papst ist auf dem Laufenden, was in der Philosophie so abgeht. Das Problem an dieser Stelle ist nur: Diese Philosophen bezweifeln ja auch diesen Ethos. Und dagegen verrichtet man mit einem schlicht behaupteten Gegensatz nichts.

Es breitet sich eine neue Intoleranz aus, das ist ganz offenkundig. Es gibt eingespielte Maßstäbe des Denkens, die allen auferlegt werden sollen. Diese werden dann in der sogenannten negativen Toleranz verkündet. Also etwa, wenn man sagt, der negativen Toleranz wegen darf es kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden geben. Im Grunde erleben wir damit die Aufhebung der Toleranz, denn das heißt ja, dass die Religion, dass der christliche Glaube sich nicht mehr sichtbar ausdrücken darf.

Natürlich darf er das, nur nicht vorgeschrieben wirkend in der Schule. Aber einem Fundamentalisten können sie auch kaum erklären, dass er Fundamentalist ist.

Eine bloße Fixierung auf das Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie sich selbst verabreichen.

Droge, natürlich, da drunter wäre keine Metapher des Bösen zu finden. Dabei will ja niemand eine bloße Fixierung auf Kondome. Überhaupt sind Vorstellungen von Leuten, die nie Sex hatten, über Sex, dass dieser ausschließlich Ausdruck von Liebe sei, höchst skuril.

In Deutschland hat jedes Kind neun bis dreizehn Jahre Religionsunterricht. Wieso dann gar so wenig hängen bleibt, um es mal so auszudrücken, ist unbegreiflich. Hier müssen die Bischöfe in der Tat ernsthaft darüber nachdenken, wie der Katechese ein neues Herz, ein neues Gesicht gegeben werden kann.

Da ist jemand wohl nicht auf dem Laufenden: Nicht jedes Kind hat neun bis dreizehn Jahre Religionsunterricht. Und die Ansicht, dass die Bischöfe der Basisarbeit in der Katholischen Kirche zu Popularität verhelfen können, finde ich eher belustigend.

Die Kirche hat „keinerlei Vollmacht“, Frauen zu weihen. Es ist nicht so, dass wir sagen, wir mögen nicht, sondern: wir können nicht. Der Herr hat der Kirche eine Gestalt gegeben mit den Zwölfen – und in deren Nachfolge dann mit den Bischöfen und den Presbytern, den Priestern.

Schnöff, tä täääääää. Warum wirkt der Gott der Katholiken auf Katholiken nur immer so irrational? Sicher auch nur eine Prüfung für Katholiken, damit wäre die Sache dann wieder rund.

Enttäuscht werden sich von diesem Buch auch alle sehen, die sich in den Missbrauchsskandalen Aufklärung seitens der Katholischen Kirche wünschen: Nach dem Papst sieht der normale Prozess hier so aus: Erst den missbrauchten Schäfchen helfen, dann die Täter strafen und dann das Verbrechen aufklären. Nach Belieben der Katholischen Kirche wird hierüber die Öffentlichkeit informiert. Vom rechtzeitigen Einbezug rechtsstatlicher Organe keine Rede. Von der Kritik von Missbrauchsopfern, dass die Katholische Kirche Aufklärung mutwillig behindert – keine Rede. Nur Rede davon, dass gesamtgesellschaftlich gesehen verhältnismäßig wenig Missbrauch in der Katholischen Kirche stattfindet. Das soll dann wohl was Gutes sein.

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