das aufklärungsproblem der cdu

Im Bundestag hat eine erste Anhörung zum Versuch der Bundesregierung, den Zugang zu Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt zu erschweren, stattgefunden. Bei dieser ersten Anhörung finde ich es höchst interessant, den Befürwortern der sogenannten „Sperre von Internetseiten“ genauer zuzuhören.

In den Blogs und in Twitter ist die Meinung ziemlich eindeutig: Man ist gegen den Vorstoß der Bundesregierung. Die Online-Petition gegen das Vorhaben von Ministerin von der Leyen haben derzeit mehr als 62.000 Menschen unterzeichnet, die entgegenete Petition derzeit gerade einmal 155.

Dabei ist es nicht, so, dass die Bundesregierung völlig haltlos darstünde. (Federführend scheint hier ja die CDU zu agieren, wobei die SPD dem Vorhaben bislang zustimmt.)  Kinderpornographie ist ein weiteres Exempel der Grausamkeit, mit der einige Menschen anderen Menschen begegnen. Und Deutschland ist sicherlich ein Land, das besonders auf derartige Rechtsverletzungen achten sollte. Zunächst einmal will die Bundesregierung ja nur, dass kinderpornographische Seiten aus dem Internet gefiltert werden. Wer dagegen spricht, darf sich also zunächst die Frage gefallen lassen, weswegen er einen möglichen Zugang zu Internetseiten haben will, deren Inhalt Kinderpornographie ist.

Hier sind wir an der Stelle, von der aus Bundesminister Guttenberg argumentiert, wenn es erklärt, dass es  ihn betroffen mache, dass der Eindruck entsteht, hier kämpfen Menschen für den Erhalt des Zugangs zu Kinderpornographie. Um eine derartige Meinung, so vorsichtig sie auch ausgedrückt sein mag, weiter aufrecht zu erhalten, muss man die Ohren vor den Argumenten der Genger der Internetzensur geschlossen haben. Das ist entweder uninformiert, naiv oder eben bewußt und damit anti-aufklärerisch und polemisch. Denn die Gegner haben wiederholt betont, dass es ihnen nicht um die Aufrechterhaltung eines derartigen Zugangs geht, sondern um den Einwand gegen staatliche Zensur. Der Begriff „Zensur“ ist an dieser Stelle durchaus angebracht, denn es werden unliebsame, rechtswidrige Inhalte von Autoritäten entfernt. Auf diese Einwände gehen einige CDU-Politiker derzeit nicht ein, sondern ignorieren sie und unterstellen den Gegnern ihres Vorstoßes die Unterstützung von Kinderpornographie. So zum Beispiel der CDU-Politiker Ingo Wellenreuther in der ersten Anhörung zu diesem Thema im Bundestag:

Die Äußerungen Wellenreuthers beinhalten eine interessante Formulierung. Er findet es erschreckend, dass es im Internet ein Video (vom 27. März) gibt, in dem in 27 Sekunden (genauer: in 18) erklärt wird, wie man die vorgesehene Sperrmaßnahme umgehen kann. Ich gehe davon aus, dass Wellenreuther nicht meint, dass es erschreckend ist, dass Unions-Politikern diese Umgehungsmöglichkeit trotz  Hinweises durch eigens einberufene Experten nicht bekannt war. Er hält das öffentliche Veranschaulichen, wie simpel es ist, für erschreckend. (Dabei hat selbst der einberufene Experte Prof. Dr. Hannes Federrath viel früher (am 20. Februar)  eine derartige Veranschaulichung veröffentlicht, was Wellenreuther bekannt sein sollte. )

Um es ganz klar zu sagen: Dieses Veranschaulichen per Video ist Aufklärung. Und in dieser Debatte liefert es wichtige Aspekte. Es legt eindringlich dar,

1. dass die Sperre keine Sperre des Zugangs zu den Internetseiten ist (was einige Politiker allerdings immer noch so in Worten darlegen),
2.  dass die Sperre ohne extra verwendete technische Software zu umgehen ist,
3. dass auch ein Internetnutzer, der ansonsten Technik-Laie ist, problemlos die Sperre umgehen kann,
4. dass ein Video über die Umgehung wesentlich kürzer sein kann als derselbe Vorgang in Worte gefasst
5. dass kurzum diese Sperre untauglich ist, das zu leisten, was Regierungspolitiker ihr unterstellen. [1. Zwei Tage vor Veröffentlichung des 27-Sekunden-Videos wird der damalige Europol-Chef Max-Peter Ratzel von der Neuen Osnabrücker Zeitung mit folgenden Worten zitiert:

Bei der großen Mehrzahl der Kinderporno-Konsumenten handelt es sich nicht um technische Experten, die eine Seiten-Sperre ohne Weiteres knacken können. ]

Wellenreuther interpretiert dieses Video als Hilfe für Kinderpornographie-Interessierte. Er ignoriert, dass dieses Video aufklärerische Funktion hat, vielleicht sieht er letzeres auch gar nicht. Das widerum wäre Uninformiertheit oder Naivität.

Es ist durchaus ein kleines Dilemma, dass Aufklärung auch dazu führt, Personen aufzuklären, die mit dem durch Aufklärung neu erworbenen Wissen Schindluder treiben. Das ist der Preis der Aufklärung und eine weitere Aufgabe für Aufklärer. Ein Preis, den auch die CDU zulassen muss. Denn ohne Aufklärung verliert ein demokratischer Staat sein Rückgrat.

Und Aufklärung tut in den eigenen Reihen der CDU unheimlich not: Michaela Noll schloss ihren Beitrag in derselben Diskussion mit folgenden Worten:

Wenn durch das Sperren von Internetseiten auch nur ein einziger Fall von sexuellem Missbrauch an einem Kind verhindert wird, dann hat es sich für mich gelohnt.

Das ist das ernsthafte Ziel, an dem es sich zu messen gilt? Dazu bräuchte es Kinderpornohersteller, deren Vertriebsweg allein im Ausland gelagerte Internetseiten sind und deren Kunden nur deutsche Internetsurfer sind, die trotz der öffentlichen Debatte keine Kenntnis vom 27-Sekunden-Video haben. Verbrecher, denen unbekannt ist, dass man in Deutschland Kinderpornographie direkt und über das Handy verbreiten kann, so wie der Bundestagsabgeordnete Tauss an seine kinderpornographischen Materialen gelangte.

Solche Leute gibt es nicht! Und es gibt ebenso keinen Kausalzusammenhang zwischen Zufallsklicks im Internet und Kindesvergewaltigungen!

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