toleranzgrenze

Toleranz ist ja sowas, was man sich gerne zuschreibt. Meist auch in gedanklicher Verbindung zu irgendwelchen Situationen oder Ansichten, die man locker respektiert, ohne sie selbst umsetzen zu wollen. Denkste. Ja, denkste.

Gestern saßen wir in der Straßenbahn auf einem Vierer. Ich sitze gerne auf dem Vierer, nicht wegen eines Viererallmachtsanspruchst und ich finde es auch nicht sonderlich skandalös, sich auf einen Vierer zu setzen, auch wenn man nur zu zweit sitzt, und eventuelle eine Vierergruppe zum Splitting veranlasst.

Jedenfalls, wo war ich? Ach ja, wir saßen zu zweit auf einem Vierer in Fahrtrichtung, weil der Blick von da aus angenehmer ist und man sich nicht beengt fühlt. Da kamen zwei Leute, eine ältere, moppelige Frau und ihr spargeltarzaniger Begleiter herein und zwängten sich auf die zwei freien Plätze vor uns. Erst dachte man, er sei ihr Betreuer.

War aber wohl nicht so. Vielleicht doch eher der Sohn, oder ein Bekannter. Denn er erzählte von den positiven Entwicklungen in seinem Leben. Er sei jetzt eine Woche schon runter vom Alkohol, weil sein Arzt ihm gesagt hätte, das würde sich nicht mit seinen Tabletten vertragen.

Wenig interessiert begann dann die Kinnbarttragende neben ihm, ihn zu befummeln und abzuknutschen. War wohl doch irgendwie mehr als Freundschaft, auch wenn er sich nicht davon abbringen ließ, die Arztgeschichte weiter auszuführen, als sei der Kern der Geschichte noch nicht übergekommen. Es sah nicht gut aus. Und es hörte sich nicht gut an. Man fand es auch nicht gut, an dieser Situation teil zu haben.

Spontan entschieden wir uns, an der nächsten Haltestelle auszusteigen und den Rest zu Fuß zu bewältigen. Für noch zwei Haltestellen hat unser Toleranzvermögen einfach nicht gereicht.

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