zeitungsartikel zur zensurdebatte

Mich hat eben interessiert, wie der Tenor der Zeitungen derzeit zur geplanten Zensur von Internetseiten ist. Sofern die Zeitung eigene Meinungen vertreten, sind diese einhellig dagegen. Die Politiker der Bundesregierung sind wohl derzeit die einzigen, die unbedingt an diesem Vorhaben festhalten wollen.

Berliner Zeitung: Seiten zu sperren,  hilft nicht

Die Zeit: Wie man eine Generation verliert, Keine Allmacht für das BKA, Ein Mäntelchen fürs reine Gewissen, Wider die Ideologen des Internets!

Focus: Überwachung durch die Hintertür

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Von China lernen, Die Spur der Kinderschänder

Frankfurter Rundschau: Internetsperre schränkt Grundrechte ein, Politik verkauft die Leute für dumm

Märkische Allgemeine: Hier wird ein Strohmann aufgebaut

Rhein Zeitung: Eine Zensur findet bald statt

Spiegel online: Sperrlisten für Kinderpornografie: BKA filtert das Web, Die Generation C64 schlägt zurück

Stern: Kinderpornografie im Internet – Operation Ohnmacht

Stuttgarter Zeitung: Aufklären statt absperren

Süddeutsche Zeitung: Zensur wird salonfähig, Sperren – unbrauchbar und schädlich

Tagesspiegel: Peng, du bist tot!

tageszeitung: Fragwürdiger Kabinettsbeschluss

Volksstimme: Untauglicher Versuch

WAZ: Neues von Zensursula

Geradezu belustigend ist eine Aussage, die sich in einem Artikel vom 25. März in der Neuen Osnabrücker Zeitung findet. Der damalige Europol-Chef Max-Peter Ratzel wird dort mit folgenden Worten zitiert:

Bei der großen Mehrzahl der Kinderporno-Konsumenten handelt es sich nicht um technische Experten, die eine Seiten-Sperre ohne Weiteres knacken können.

Die Umgehung der Sperre dauert ohne technisches Expertenwissen genau 18 Sekunden.

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mehr:
Wie die Bundesregierung Kinderpornoseitenklicks errechnet

Das Aufklärungsproblem der CDU

Wie versucht wird, auf Rechtspflichtmissachtungen fremder Staaten mit Grundrechtsbeschränkungen eigener Bürger zu reagieren

eine ausführliche Linksammlung zum Thema findet sich bei hugelgupf.de

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denn sie wissen nicht, was sie tun

Ich hatte mich ja schon vor einigen Tagen dazu ausgelassen, dass die von der Bundesregierung rausgegebenen Zahlen, was die Verhinderung von Klicks auf Kinderpornoseiten angeht, unverständlich sind.

Interessanterweise scheinen die Mitglieder der Bundesregierung selbst nicht einer Meinung zu sein. Während Bundesminister Guttenberg 450.000 Klicks auf Kinderpornoseiten im Jahr verhindern möchte, will Bundesministerin von der Leyen dieselbe Zahl täglich verhindern.

Bundesminister Guttenberg [1. Es sei nochmals gesagt, dass die im Text von Guttenberg dargelegte Annahme, man müsse „technisch versiert“ sein, um die geplante Internet-Sperre zu umgehen, irreführend ist.]

jaehrlich

Familienministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

taeglich

Folgt man dem Ministerium von Frau von der Leyen, würde diese Sperr-Aktion 164 Millionen Klicks abfangen. Statistisch gesehen ist so jeder deutsche Internetnutzer im Jahr 5 Mal zufällig auf einer kinderpornografischen Internetseite.

Folgt man Guttenberg, dann verteilen sich die 450.000 Klicks, was hoch geschätzt ist, auf 1000 Seiten, die man sperren möchte. Damit hätte eine dieser Seiten 450 Zufallsklicks im Jahr, etwas mehr als einen Klick pro Tag. Und von diesem einen Klick wissen wir nicht, ob es Mensch oder Maschine war.

Bei der Zahl von 450.000 verhinderter Klicks, die man seitens der Bundesregierung verwendet, handelt es sich um einen Schätzwert. Es wurde wahrscheinlich die Zahl von 50.000 angeblich verhinderter Klicks aus Schweden als Ausgangswert genommen. Über Norwegen kursiert die Zahl von 18.000, was natürlich ein unschön kleineres Schätzergebnis brächte. Diese Zahl von 50.000 Klicks, wobei nicht gesagt wird, was man genau unter einem Klick versteht, wird offenbar anhand der Bevölkerungszahl hochgerechnet auf Deutschland (Schweden hat 9,5 Mio. Einwohner, Deutschland etwa 80 Mio.). Mit demselben Recht können sie völlig andere Schätzungen anstellen, basierend etwa an den Internetnutzerzahlen männlicher Einwohner ab 16 Jahren.

Solange man einen angeblichen Zweck, der erreicht werden soll, im Auge hat, scheint jedes Argument unangreifbar. Ich habe mich zumindest nicht gewundert, als die erste Stimme laut wurde, man wolle Kinder vor dem Schauen von kinderpornografischen Material schützen.
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mehr: Das Aufklärungsproblem der CDU
Lutz Donnerhake: Woher wissen sie, was sie tun?

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