der bekehrer von heise

Einen sehr wirren Artikel zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion hat Peter Monnerjahn da bei Heise veröffentlicht. Seiner Meinung nach habe der Berliner Bischof Huber „einen großen Schritt zwischen Gläubigen und Naturalisten“ gemacht, er habe erklärt, warum es in diesem Universum keinen Gott geben kann. Ein Schritt, so Monnerjahn, der leider bisher „von der Welt“ kaum beachtet worden sei.

Naja, vielleicht könnte das daran liegen, dass Huber diesen Schritt gar nicht gemacht hat. Überhaupt ist rätselhaft, weswegen „Naturalisten“, und ich glaube, darunter versteht Monnerjahn im ersten Sinne Biologen, und Religiöse als die einzigen Fronten in dieser Diskussion vereint werden sollen. An dieser Rivalität soll sich wohl nach Monnerjahn die Gottesfrage entscheiden. Warum? Weil Monnerjahn wohl nicht mehr auf dem Schirm hat. Er identifiziert Richard Dawkins als Biologie-Heilsbringer, der über den angeblichen Schritt Hubers hocherfreut sein [müsste], diese ersten Zeichen eines echten ökumenischen Geistes zu sehen. Das scheint nach Monnerjahn also das große Ziel zu sein, zu dem die Naturalisten streben. Wenn die Religiösen jetzt zugeben, dass Gott nicht gegenständlich ist, nach Monnerjahn: nicht mit Vernunft entscheidbar, dann können die Biologen Glauben als psychisches Phänomen abstempeln, und alle sind glücklich. Schon an der Stelle, an der Monnerjahn Huber unterstellt, dieser erkläre, warum Gott nicht im Universum vorkomme, und dass Gott nicht real, d.h. wirklich, sei, missversteht er ihn vorsätzlich, da Huber davon ausgeht, Glaube richtet sich auf die Wirklichkeit Gottes, die Raum und Zeit umgreift und übersteigt.

Was hat denn der liebe Herr Huber zum Verhältnis von nichttheologischen Wissenschaften, dei den Glauben doch so bedrängen, und Glauben gesagt? Seine Reminiszenz an die nichttheologische Wissenschaft ist der Philosoph Immanuel Kant. Und dessen Argumentation über die theoretische Beweisbarkeit Gottes aus der Kritik der reinen Vernunft wiederholt er eigentlich nur: Gott ist theoretisch für Menschen nicht beweisbar. Man braucht also keinen Hoffnungen in die Biologie, Chemie oder Physik zu setzen, dass von dort Erkenntnisse über Gott kämen. Das heisst allerdings weder, dass Gott nicht beweisbar ist, wie Monnerjahn es gerne hätte, noch, dass Kant die Kritik der reinen Vernunft geschrieben hätte, damit der Begriff Gottes als der alles umfassenden Wirklichkeit überhaupt wieder zur Geltung kommen kann. Hubers Zweckunterstellung des Kantischen Buches ist gänzlich aus der Luft gegriffen.

Mit der Kritik der reinen Vernunft wollte Kant die Metaphysik als Wissenschaft etablieren. Das ist eine Wissenschaft, die die Möglichkeit synthetischer Sätze a priori, d.h. Sätze, deren Wahrheitsgehalt nicht die Erfahrung entscheidet, als (rechts-)gültiger Sätze erweist. Für viele Naturwissenschaftler ist hier schon das Buch zu, weil all ihre eigenen Sätze nur solche sind, denen die Erfahrung Recht geben muss. Um wissenschaftlich zu ergründen, ob und in wie weit es weitere erkenntnisbringende Sätze gibt, muss man sich eben mit der Philosophie auseinandersetzen. Das tun Biologen und Theologen mitunter ungern, da es erfordert, bereit zu sein, fundamentale eigene Überzeugungen in Frage zu stellen und notfalls über Bord zu schmeissen. Wäre Monnerjahn derart wissenschaftlich unterwegs, hätte er bemerken können, dass dieselben Argumente, die Dawkins in seinem populärwissenschaftlichen Buch The God delusion vorbringt, schon bei Nietzsche zu finden sind. Man sieht leicht: Dieser Streit ist schon vor Jahrhunderten mit mindestens gleichwertigen Argumenten geführt worden.

Was Huber in Abgrenzung zu Kant meint, könnte noch eine interessante Frage sein. Scheinbar fällt ihm zu Kant nur die Kritik der reinen Vernunft ein und nicht ein Buch wie Die Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft. Nach Kant ist Religion ein Folgegedanke des ethischen Denkens des Menschen, nicht umgekehrt rechtmäßiges ethisches Denken ein Folgegedanke der Lehre einer Religion, so wie es die katholische Kirche annimmt. Nach Kant soll man selber denken, nicht irgendwelche Moraltafeln von jemand anders übernehmen und denen blindlinks vertrauen.

Vollkommen konträr zu Kant wird Huber zumindest, wenn er sagt: Gerade weil sich das Ziel, um dessentwillen die Welt entstand und das Leben sich auf der Erde bildete, nicht aus den naturwissenschaftlichen Einsichten selbst erschließt, brauchen wir einen Zugang zu dem Sinn des Ganzen, der den Raum des unserem Wissen Zugänglichen überschreitet. Huber geht von einem Wissen aus, dass beinhaltet, die Welt sei mit einem Ziel ausgestattet und es gäbe so etwas wie einen Sinn des Ganzen. Woher weiß Herr Huber, denn an dieser Stelle scheint er ja nicht lediglich zu glauben, woher weiß er von dieser Zielausrichtung?

Den Dingen Zwecke, Ziele zu unterstellen, ist nach Kant eine Wesensausstattung des Menschen. Nach Kant ist es möglich, dass die Wirklichkeit als einem subjektunabhängigen Wahrheitszustand anders aussieht als Menschen, die an ihre subjektiven Vorstellungsveranlagungen gebunden sind, denken oder glauben. Kurz: Es kann falsch sein, bestimmten Dingen einen Zweck zu unterstellen, so wie Huber der Welt einen Zweck unterstellt. Dennoch ist der Mensch zu ethischem Handeln verpflichtet. Mir scheint: Nach der Huberschen Auffassung wird davon nicht ausgegangen. Nur der Umstand, dass Gott es angeblich gut meint mit der Welt, ergibt es, dass Menschen gut, d.h. sich an ethischen Maßstäben orientierend, handeln sollen. Ohne Gottesvorstellung keine Ethik. Das sieht Kant anders: Ethik wird ohne Gottesvorstellung konzipiert. Ethisches Handeln kann auf eine Gottesvorstellung angewiesen sein.

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