westfälische idiome (xi): los/lose sein / etwas los machen

Im Westfälischen können Schubladen, Fenster oder Schnürsenkel los sein. Umgangssprachlich kann man auch davon sprechen, etwas sei lose. Oftmals wenden Nichtwestfalen hierbei ein, dies sei eine grammatisch falsche Verwendung der Redeweise, etwas sei offen. Das ist aber falsch, da die Verwendung von los der jeweiligen Situation inhaltlich mehr abgewinnt.

Zum einen gibt es die westfälische Aufforderung Mach‘ mal dat Fenster los! Auf die reine Handlung ist gemeint, dass das Fenster geöffnet werden soll. Allerdings ist es im Westfälischen so, dass das Fensteröffnen in der Verwendung mit losmachen eine andere ist als in der Verwendung mit öffnen. Ein Fenster kann sich alleine öffnen, es kann sich aber nicht alleine losmachen. Das Losmachen ist eine zweckverfolgende Tätigkeit. Wenn in einem Raum schlechte Luft herrscht oder die Technik eines Fensters untersucht werden soll, so kann man sagen Mach‘ mal dat Fenster los! Es ist allerdings nicht gebräuchlich zu sagen, dass Fenster habe sich selbst los gemacht. Hier sagt man Das Fenster hat sich von alleine geöffnet.

Noch etwas anderes ist die Verwendung des Los-Seins. Schnürsenkel können los sein oder lose sein. Hierbei wird ebenso oft eingewendet, es handle sich um eine grammatisch falsche Verwendung der Redeweise von offenen Schnürsenkeln. Aber auch dieser Einwand ist falsch.  Der inbegriffene Gedanke bei einer Feststellung wie Deine Schnürsenkel sind lose ist, dass Schnürsenkel von getragenen Schuhen aus Sicherheitsgründen zu sein sollen. Schnürsenkel von gerade nichtgetragenen Schuhen sind offen, aber nicht lose, denn es ist egal, ob diese in dieser Situation offen sind oder gebunden.

In metaphorischer Hinsicht kann losmachen auch Gegenständen zugesprochen werden. So kann man sagen Das Boot hat sich alleine losgemacht. Damit unterstellt man dem Gegenstand ein gewisses Eigenleben und entzieht sich selbst etwas der Verantwortung, gerade wenn man selbst das Boot am Steg festgemacht hat, so dass es eigentlich nicht wegschwimmen hätte können.

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westfälische idiome (xii): bollerig

Jeans kaufen ist oftmals keine einfache Geschichte. Manche stehen einem, andere nicht. Jeans fallen unterschiedlich aus, da muss man diverse Praxistests überstehen. Eine neuere Mode ist ja das lässige, nahezu knietiefe Tragen von Jeans. Das wurde zuvor nicht als modisch angesehen. Und im Westfälischen wurde für eine derart, d.h. eine schlecht sitzende Jeans das Wort bollerig verwendet. Bollerig waren Jeans dann, wenn sie altersbedingt geweitet waren, daher nicht mehr gut saßen und somit nicht chic waren. Neumodisch tiefergetragenen Jeans kommt daher nur dann nicht die Bezeichnung bollerig zu, wenn sie erkennbar nicht aus Altergründen nicht gut sitzen.

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Reihe: Westfälische Idiome
Bildquelle: Blue & Jean von Tony Blay | Creative Commons BY-NC-SA 2.0 Lizenz.

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