stendhaler buchneukauf

Heute habe ich mal was gemacht, was ich noch nie gemacht habe, und was ich auch eigentlich unterlassen wollte.
Ich wollte keine Bücher mehr kaufen, auf denen „Daniel Kehlmann“ steht und ich wollte eigentlich nie ein Buch kaufen, von dem ich schon ein Exemplar in gleicher Sprache besitze.
Beides habe ich heute gebrochen, aber aus gutem Grund. Ich habe mich seit einem Jahr an „Rot und Schwarz“ von Stendhal festgebissen. Ich komme nur müßig voran. Jedes Mal, wenn ich ein anderes Buch beginne, denke ich an Piroschka Stendhal, und dass ich den Schinken noch nicht durchhabe. Gekauft hatte ich die Insel-Ausgabe, das ist die überarbeitete deutsche Übersetzung von 1913/1921. Zwar habe ich die Geschichte gut behalten, aber das Lesen strengt doch an. Die Sätze sind lang, komplex und nicht leicht zu lesen.
Heute habe ich mir die hochgepriesene Neuübersetzung von Elisabeth Edl aus dem Jahr 2004 bei Wenner angeschaut und bin gleich eingenommen gewesen. Die Sprache ist auf einmal flüssig zu lesen, man verfolgt die Geschichte mit größerer Spannung. Naja, und was kann Stendhal dafür, dass ein Zitat Kehlmans auf den Buchrücken gedruckt wurde.
Liegt das scheinbar höhere Lesevergnügen wirklich an der Übersetzung? Es ist doch dieselbe Geschichte, derselbe Autor und völlig unlesbar ist die alte Ausgabe auch nicht. Aber die Übersetzungen unterscheiden sich doch deutlich, so dass ich sagen würde, dass die erste Übersetzung zumindest für den heutigen Lehrer schwieriger zu lesen ist. Dies macht folgendes Beispiel deutlich:

Ausgabe 1913/1921:
„So verstrichen zehn Minuten. Der Mann in der schäbigen Soutane schrieb immer weiter. Juliens Aufregung und Grauen wurden so star, daß er nahe am Umsinken war. Ein Philosoph hätte – vielleicht irrigerweise – gesagt: durch den Ansturm des Häßlichen auf eine zur Schönheit gerichtete Seele.“

Ausgabe 2004:
„So verstrichen zehn Minuten; der schlechtgekleidete Mann schrieb immer noch. Juliens Aufregung und seine Angst waren so groß, daß er meinte, gleich umfallen zu müssen. Ein Philosoph hätte gesagt, und sich damit vielleicht geirrt: Das ist der furchtbare Eindruck des Häßlichen auf eine Seele, die für das Schöne geschaffen ist.“

Ich habe beide Texte nicht mit dem Original verglichen. Die 2004er Ausgabe scheint ab und an etwas freier den französischen Text zu übersetzen, trifft aber an dieser Stelle für meine Verhältnisse den Gedanken genauer.

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