weitere unstimmigkeit bei koch-mehrin

Bei den Ruhrbaronen wird derzeit der Frage nachgegangen, ob Silvana Koch-Mehrin bei ihrer eidesstattlichen Erklärung die Unwahrheit gesagt hat. Sie legt Wert darauf, zu 75% an den Sitzungen des Europäischen Parlaments anwesend gewesen zu sein, und nicht zu 62% wie es das Europäische Parlament ausweist. Zur Unterstützung ihrer Position hält sie in der Erklärung weiter fest:

Mit meiner Präsenzquote von 75% liege ich in der oberen Hälfte der Präsenz der 99 deutschen EU-Abgeordneten und der 785 EU-Abgeordneten insgesamt.

Ich verstehe das so:  Sie behauptet, von allen deutschen EU-Abgeordneten bezüglich der Präsenz in der oberen Hälfte zu sein. Zusätzlich dazu auch bezogen auf alle Abgeordneten. Weitergehend verstehe ich es so, dass bei oberer Hälfte gemeint ist, von 99 in einer zahlenmäßig angeordneten Hierarchieliste bei einer Position oberhalb der Zahl 49 zu sein.

Dann muss bei der EU wohl ein weiterer Statistikfehler vorgekommen sein: Denn Frau Koch-Mehrin liegt nach den Zahlen der EU weit entfernt von dieser oberen Hälfte. Nach diesen Zahlen gibt es überhaupt nur 12 deutsche Abgeordnete, die noch weniger anwesend waren. So gesehen gehört Frau Koch-Mehrin lediglich zum unteren Sechstel auf der Präsenz-Liste[1. die Liste im Ganzen (Zahlen in Prozent):

Alvaro 77
Beer 75
Behrendt 94
Böge 94
Breyer 86
Brie 89
Brok 78
Bullmann 96
Caspary 94
Chatzi 85
Cohn-Bendit 90
Cramer 92
Dess 95
Ehler 73
Ferber 93
Florenz 83
Friedrich 94
Gahler 94
Gebhardt 93
Gewalt 87
Glaute 81
Goepel 94
Gomolka 94
Graefe zu Bah. 86
Grässle 88
Gröner 77
Groote 92
Hänsch 92
Harms 77
Haug 95
Hieronymi 85
Hoppenstedt 91
Horaczek 88
Jarzembowski 80
Jeggle 96
Jöns 93
Kallenbach 93
Kastler 73
Kaufmann 98
Kindermann 98
Klaunt 90
Klaß 95
Klinz 77
Koch 91
Koch-Mehrin 62/75
Konrad 96
Krahmer 87
Krehl 90
Kreissl-Dörfler 86
Kulme 94
Lambsdorff 55
Langen 98
Lank 57
Lechner 81
Lehne 94
Leinen 94
Liese 69
E. Mann 73
T. Mann 97
Markov 90
Mayer 90
Nassauer 91
Niebler 84
Öger 60
Özdemir 63
Pack 95
Pflüger 93
Pieper 93
Pöttering 95
Posdorf 63
Posselt 86
Quisthoudt-Rowohl 69
Rapkay 92
Reul 98
Rodust 85
Roth-Behrendt 81
Rothe 91
Rühle 91
Schmidt 80
Schnellhardt 88
Schröder 89
Schroedter 89
Schulz 67
Schuth 76
Schwab 98
Sommer 91
Staune 67
Stockmann 85
Trüpel 86
Ulmer 93
Wagenknecht 75
Walter 93
Weber 86
Weisgerber 80
Wieland 89
Wogau 83
Zimmer 87

].

Aber da wird bestimmt ein Rechenfehler sein.
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wie die evangelische kirche gegen hitler und den relativismus kämpft

Nikolaus Schneider von der evangelischen Kirche hat sich passend zu Pfingsten zu Wort gemeldet, um einmal zu protokollieren, dass die evangelische Kirche im dritten Reiche Mit Jesus gegen das Hitler-Regime agiert habe. Der katholischen Kirche war die Befassung mit dem dritten Reich vor kurzem ja auch ein Anliegen. Man habe 1934 mit dem Barmer Theologischen Erklärung den Christen eine ganz wesentliche Orientierungshilfe gegeben, so Schneider. Wie kritisch es die Christen gegenüber dem Nazi-Staat, dem sie oftmals selbst funktionell angehören, gestimmt haben mag, Sätze wie „Fürchtet Gott, ehrt den König“ zu lesen, überlasse ich mal dem Leser.

Bei Radio AREF, dem Radio der Arbeitsgemeinschaft Rundfunk Evangelischer Freikirchen, heisst es in diesem Zusammenhang, Hitler habe 1933 nur mit der katholischen Kirche einen Staatsvertrag gemacht, da er sich der Loyalität und des Deutschtums seitens der evangelischen Kirche fast sicher sein durfte.

Über die Bekennende Kirche, der die Barmer Theologische Erklärung zugerechnet wird, heisst es bei Wikipedia: Die BK erklärte nie, dass Bekenntnistreue mit dem Dienst in der SS oder im KZ unvereinbar sei. Eine einheitliche Opposition gegen das NS-Regime bildete die BK (…) nicht.

Wie anders ist da Schneiders Sicht auf die Wirkung der Erklärung: Die damaligen Christen brauchten Klarheit gegenüber den Irrlehren der Nazis. Wohingegen bei Wikipedia konstatiert wird: Die Konsequenzen vom Protest zum gemeinsamen Widerstand gegen das NS-Regime, die aus dem Zusammenprall des kirchlichen Glaubensbekenntnisses mit der totalitären NS-Staatsideologie folgen mussten, blieben aus. Sie wurden durch innere konfessionelle Gegensätze und eine lavierende und taktische Haltung der bisherigen lutherischen Landesbischöfe verhindert.

Schneider nutzt im Interview dann noch die Gunst der Stunde, um heuchlerisch die hochtrabende Position der evangelischen Kirche darzulegen:

Was würden Sie beispielsweise unternehmen, wenn der Staat Kirchen untersagte, Jesus im staatlichen Religionsunterricht als „den Weg und die Wahrheit“ zu bezeichnen, weil diese Absolutheit dem Frieden einer multireligiösen Gesellschaft schade?

Schneider: Sollte der Staat die Kirchen zum Relativismus nötigen, wäre die Grenze erreicht. Dann wäre Schluss mit der Zusammenarbeit – ganz im Geist von Barmen.

So ein Blödsinn. Als ob sich die evangelische Kirche mit ihrer Dogmenlehre aus den Schulen treiben liesse, nur weil die Religionslehrer darauf hinweisen müssten, dass es neben der Formel „Jesus Christus = Wahrheit“ auch noch andere Definitonen von Wahrheit gäbe. So deklariert man Aufklärung eben mal um zur geistigen Einstellung, alles für egal zu halten. Bravo, liebe evangelische Kirche.

[Bei Klaus Stuttmann gibt es eine passende Karikatur.]

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christoph schlingensief – so schön wie hier kanns im himmel gar nicht sein!

schlingensiefSeitdem ich Christoph Schlingensiefs Arbeit kenne, verfahre ich immer auf dieselbe Weise: Sofern ich zu ihr Zugang habe, beschöftige ich mich so lange damit, bis ich meine zu wissen, was dahinter steckt oder bis sie mir etwas sagt.

Nun hat er ein Tagebuch während seiner Krebserkrankung verfasst. Es ist eine Aufnahme seiner Wut, des Angriffs auf seine Person, der Thematiken, die sich ihm aufdrängen. Er schwimmt sich frei und man bekommt den Eindruck: Dadurch bekommt er ein Stückchen mehr Lebensqualität.

Das Buch ist ein lesenswertes Dokument der Nichtaufgabe seiner eigenen Person, das einem Aufruf gleichkommt, um sein Leben zu kämpfen.

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die instrumentalisierung von moral: die cdu zwischen religion und politik

Jeder, der öffentlich Stellung bezieht, und einigermaßen etwas in der Birne hat, möchte nicht unbedingt einer einzelnen Partei zugerechnet werden. Seine Diskussionsgegner würden seine Zuneigung zu einem bestimmten politischen Lager gleich zur Abwertung seiner Position verwenden. Ich für meinen Teil gebe keine Wahlempfehlungen aus, weil ich einerseits jedem empfehlen möchte, selbst kritisch die einzelnen politischen Positionen zu durchdenken, und andererseits, weil keine Partei mir je nahe gestanden hat.

Das heisst aber nicht, dass ich mich unpolitisch verhalte. Ich gebe meine Stimme durchaus bei Wahlen einzelnen Parteien. Bislang konsequenterweise den jeweiligen Wahlverlierern, aber das ist ja mein Pech. Ich habe durchaus bestimmte Vorstellungen von guter Politik und würde diese auch immer verteidigen. Es gibt auch viele, sehr fähige Politiker. Nur geben diese nicht immer den Ton an.

Weil die CDU derzeit auch bundesregierungsintern gerne den Ton angeben möchte, habe ich mich in letzter Zeit des öfteren mit ihr beschäftigt. Und man darf sie wegen mir wählen, ich möchte meinen Blog nicht dazu verwenden, vom Wählen einer Partei abzuraten.

Ich gebe zu: Die konservativen Politiker der CDU eignen sich in ihren Äußerungen ziemlich gut, um analysiert zu werden. Wenn jemand aber so eine Analyse der Art deutet, dass sie darlegen soll: Nun ist gezeigt, dass die CDU politisch schwach auf der Brust ist, also wählet die anderen, bin ich falsch verstanden worden. Ich kann nur wiederholend behaupten, dass das hier nicht angestrebt wird.

Wozu diese Einleitung? Ich möchte gerne die Gelegenheit bieten, mit etwas Distanz vom direkten politischen Geschehen die CDU zu betrachten. Denn es ist in der ganzen Zensur-Debatte ja einerseits die wohl auf die vorgetragene Art undurchsetzbare Haltung der CDU deutlich geworden, andererseits die Art des öffenltichen Umgangs seitens der CDU: Da wird seitens der CDU-Mitglieder treudoof geglaubt, was ihre Oberen an Zahlen in die Diskussion werfen, da wird CDU-Kritikern vorgehalten, die Kinderpornografie zu befördern, da wird Internetnutzern, die aufzeigen, wie leicht die angedachten Sperrungen auszuschalten sind, vorgeworfen unmoralisch zu sein. Und nur eines ist all diesem Verhalten gleich: Es kommt alles ohne ernstnehmbare Sachargumentation aus.

So eine Politik des Vorhaltens der eigenen Meinung anderen gegenüber kennt man aus der Kirche. Man schaue sich nur folgenden Vortrag von der Leyens an und stelle sich die Frage: An welchen Stellen hätte ein Pfarrer an ihrer Position seine Predigt anders gehalten:

Ich glaube wirklich nicht, dass es Aufgabe von Politik ist, so anmaßend anderen Menschen moralische Standpunkte zu predigen. Und es sei betont: Eine staatlich geförderte Auseinandersetzung mit Moral – auch eine gewisse Lehre in moralischem Verhalten – , die in Schulen stattfindet, ist etwas anderes.

Was von der Leyen hier betreibt, und man sollte nicht annehmen, dies geschehe böswillig, ist die Instrumentalisierung von Moral. Weil sie selbst über den Missstand, wie leicht kinderpornografisches Material im Internet verbreitet werden kann, so verstört und ergriffen ist, will sie die Internet-Sperre unbedingt. Ihre persönliche Haltung ist Motivation für ihre Politik, was nicht weiter schlecht ist, aber diese, wie wir gesehen haben, konkurriert mit Sachargumentationen normaler Bürger. Und wenn man sich diese Sachargumentationen näher anschaut, wird man feststellen: Diese sind weit weniger moralinsauer. Das Thema bedarf dieser Moralinsäure nicht, um besprochen zu werden.

Aber das Christliche in der CDU wird wohl nicht nur durch die Ausrichtung an einem christlichen Menschenbild repräsentiert, sondern auch an der Haltung: Predigen statt Argumentieren. Was du darstellst ist wichtiger als das, was du zu sagen hast. Dabei ist es auf politischem Terrain viel wichtiger, sich hauptsächlich auf die Diskussion über Sachargumente zu stützen. Dadurch lernt man und bringt Verständigung zustande.

Wie wollen sie dagegen lernen, wie wollen sie sich verständigen, wie gemeinsame Lösungen finden, wenn ihnen jemand gegenüber steht, der in einer Diskussion nicht zögert, ihnen frei aus der Luft geholt zu unterstellen, sie wären kein ernstzunehmender Diskussionsteilnehmer, denn sie sind moralisch unqualifiziert. Sowas geht in dieser innerparteilichen Akzeptanz in Deutschland nur in der CDU.

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