bezahltes bumsen in westfalen

Parallelwelten sind ja was Schönes, wenn man Gelegenheit hat, da mal rein zu schauen. Man versteht draunter einfach soziale Räume, denen man selbst nicht angehört, deren Regeln man erst noch begreifen muss.

Im Internet findet sich für mich und sicher auch für einige andere Menschen eine solche Parallelwelt unter owlforum.com. Dort tauschen sich Puffgänger aus. Wenn unsereins darüber spricht, kommt zuerst immer der skeptische Blick mit Namen: Sag mal, weswegen interessiert dich das?. Bemerkenswert, dass das immer noch ein schlüpfriges Thema ist.

Aber warum interessiert mich das? Weil es um Sexualität geht? Weniger, es gibt eindeutig angenehmere Formen von Sexualität. Weil mich die Möglichkeit, selbst mal Prostituierte aufzusuchen, interessiert? Nein. Ich gehöre zu den Typen, die die Idee von Sex mit Leuten, die nicht selbst mit einem haben wollen, mehr als abturnt und die dafür auch kein Geld ausgeben würden. Insofern geht da gar nichts.

Nein, ich denke, auch in solchen, für mich skurilen Welten sind interessante Geschichten zu finden. Vielleicht habe ich einen Hau, was das angeht. Aber gut.

In diesem Forum tauschen sich, wie gesagt, erfahrene Puffgänger und Puffgänger in spe aus. Regional betrachtet wird genau meine Region abgedeckt, also Bielefeld, Osnabrück und Ibbenbüren. Man sollte immer beachten: Die Seite des Gegenübers, der Prostituierten, fehlt eigentlich vollständig. Einige Prostituierte haben sich zwar auch angemeldet, aber oft auch nur aus wirtschaftlichen Gründen; Kundenbindung oder sowas. Dieser Austausch besteht aus Hinweisen, welche Prostituierte gut für Anfänger ist, wer wieviel kostet, wer einen übers Ohr haut, wer was mit sich machen lässt, wer eine angenehme Persönlichkeit hat, wer nicht.

Schon diese Stelle wird einigen Lesern als respektlose Haltung vorkommen. Spätestens, wenn Gespräche darüber geführt werden, dass bestimmte Prostituierte keine optimale Figur haben. Da gibt es dann Puffgänger, die anführen, dass sei entschuldbar, schliesslich habe man selbst keine gute Figur. Andere erzürnen sich darüber, dass derartige Rechtfertigungen abgelassen werden, schliesslich sei das Ganze ein Geschäft und die Prostituierten sollten sich daher etwas um ihre Figur kümmern. Diese Puffgänger suchen schon nach einer Haltung, einer geistigen Einstellung bei dem, was sie da tun, und kommen dann zu sowas.

Grundsätzlich ist es ihnen oftmals gesellschaftlich peinlich, dort gesehen zu werden. Der Puffgang im Heimatort ist oft verpöhnt, ebenso wie Puffs direkt an einer gut ersichtlichen Strasse. Tipps, wo man gut unauffällig parken kann, sind die Regel. Puffparken scheint auch so seinen eigenen Gesetzen zu folgen.

Die lustigste Geschichte fand ich aber bei einer Prostituierten, die in Bielefeld wohl dicht bei meiner Wohnung privat arbeitet (Adresse nur auf Anfrage). Die Dame wird hoch gehandelt für Einsteiger ins Besuchen einer Prostituierten. Wenn ich es richtig aus den Texten rauslese, würde man von dieser Dame im Alltag wohl sagen, sie hat Klasse. Dieses Bewusstsein scheint sie auch selbst zu haben. Ein Puffgänger berichtet, dass sie nach dem Verkehr mit ihm gemeint habe: Also, mit Typen wie ihm, da würde sie freiwillig nie in die Kiste steigen.

Was so ein Ausspruch der weiblichen Seele bringt, weiss ich nicht. Vielleicht erdet das, viellecht entschuldigt das das eigene Geschäft, vielleicht gewinnt man dadurch etwas. Aber der so ausgeführte Angriff auf die männliche Psyche saß natürlich: Der Puffgänger schreibt weiter: Na, darüber wäre er sich doch schon im Klaren, aber das müsse man doch nicht extra nochmal sagen.

Puffgänge sind neben bezahltem Sex wohl meistens auch ein Kampf ums eigene Ego.

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der sex-skandal der uni bielefeld

[ Aktualisierungen:  1.7.2.7.3.7.4.7.7.7.9.7. | 14.11.]

Dies könnte die Feierlaune der Bielefelder Universitätsleitung etwas trüben: Im 40. Jahr ihres Bestehens bekommt die Universität einen handfesten Sex-Skandal.

Nun sollte man sich streng vor Augen halten, dass die Unschuldsvermutung bei den beteiligten Personen Vorrang haben muss. Niemandem ist geholfen, an Hand der Persönlichkeiten des vermeintlichen Opfers und des vermeintlichen Täters rumzupsychologisieren. Vor Gericht wird diese Angelegenheit des weiteren verhandelt.

Verstörend ist ein anderer Umstand:

Offenbar hat die Universitätsleitung 9 Monate lang[1. In diesem Blog werden Dinge gestrichen, die sich der Sache nach als überholt oder falsch herausstellen. Durch die Streichung wird aber das vormalige Vorhandensein der Textstelle dokumentiert. Zu dieser Stelle, an der von 9 Monaten die Rede ist, hat die Universitätsleitung im Artikel der Neuen Westfälischen am 3. Juli Stellung bezogen. ] erfolglos versucht, diese Angelegenheit intern zu regeln. Die Staatsanwaltschaft kontaktierte man erst, als eine beteiligte Person eine Klage erhob. Ein sich der Universitätsleitung wohl rein juristisch aufdrängender Schritt. In der Zeitung liest sich das Vorgehen dann so:

Zunächst habe man aber von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen.

[Fragen: Wer ist man ? Was genau heisst an dieser Stelle absehen ? ]

Aufgrund des nun einsetzenden Rechtsverfahrens möchte die Universitätsleitung fortan zu dieser Sache keine Stellung nehmen. Dabei verkennt sie den Schaden, den sie anrichtet:

Welche Studentin, welche sonstige Mitarbeiterin an der Universität möchte sich derzeit vertrauensvoll bei einem Angriff auf ihre Person an die Universitätsleitung wenden, wenn sie davon ausgehen kann, dass diese sich mitunter ein Jahr schleppend damit beschäftigt.

Vielleicht gibt es tatsächlich gute Gründe, diese Angelegenheit 9 lange Monate intern zu verhandeln. Zum jetzigen Zeitpunkt aber mit Hinweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme abzugeben, um selbst möglichst schadenfrei davon zu kommen, ist wohl ein falsches Zeichen.

Aktualisierung am 1. Juli
Im Laufe des Tages hat sich die Universitätsleitung entgegen der Mitteilung bei der Neuen Westfälischen (der Text wurde mittlerweile geändert) doch noch zu Wort gemeldet. Mit Bezug auf einen Bericht des Westfalen-Blatts wird ein terminlicher Ablauf des Prozederes aus der Sicht der Universitätsleitung gegeben.

Auf den sowohl im Westfalen-Blatt als auch in der Neuen Westfälischen beschriebenen Umstand, die Universitätsleitung sei seit Herbst vergangenen Jahres über die Vorwürfe unterrichtet gewesen, geht die Universitätsleitung nicht ein.

Die Universitätsleitung gibt dagegen an, schnellstmöglich gehandelt zu haben.

Aktualisierung am 2. Juli

Auch in den zwei großen Zeitungen Bielefelds wird heute das Bezeichnen des Handelns der Universitätsleitung als schnellstmöglich in Frage gestellt.

Die Neue Westfälische beschreibt den Fall heute ausführlicher und resümiert:

Obwohl der Fall im Haus also mindestens seit zehn Wochen bekannt war, konnte sich das Rektorat erst gestern dazu durchringen, den beschuldigten Professor bis zur Klärung des Falles vom Lehrbetrieb auszuschließen.

Im Westfalen-Blatt wird ein Mitglied der betroffenen Fakultät in Bezug auf das Vorgehen der Universitätsleitung mit deutlichen Worten zitiert:

Ein Vertreter der Fakultät kritisierte [das Vorgehen der Universitätsleitung] gestern als Verletzung der Fürsorgepflicht. Eine Universität müsse für alle jungen Menschen ein Schutzraum sein«.

Die Fürsorgepflicht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in §§241. Abs. 2, 617-619 festgelegt. Die Missachtung der Fürsorgepflicht kann zu Schadensersatzansprüchen und anderen Rechtsansprüchen des Arbeitgebers führen. Vom nichtmateriellen Schaden einmal abgesehen.

Uwe Koch kommentiert im Westfalenblatt: Unter den Teppich gekehrt.

Aktualisierung vom 3. Juli
Die Neue Westfälische berichtet heute über den kompletten Rücktritt der Gleichstellungskommission der Uni Bielefeld betroffenen Fakultät. Im Zuge dessen zitiert man einen Uni-Sprecher, dass das Inkenntnissetzen der Universitätsleitung im vergangenen Oktober denselben Professor, aber einen „ganz anderen Fall“ betreffe. Damit möchte man wohl Wind aus den Segeln nehmen.

Aber nochmal in Ruhe: Zweimal innerhalb eines einzigen Semesters gibt es offenbar unabhängig voneinander den Vorwurf einer sexuell motivierten Missetat gegen einen Professor und die Universitätsleitung wendet sich erst an die Staatsanwaltschaft, unmittelbar nachdem eine Klage im zweiten Fall eingereicht wird, und suspendiert den Professor erst, unmittelbar nachdem die Zeitungen darüber berichten.

Es erscheint mir naheliegend, dass einige Personen nun die Einhaltung der Fürsorgepflicht seitens der Universität in Frage stellen. Gerade angesichts des Umstandes, dass das wohl wichtigste hierfür eingerichtete Gremium geschlossen zurücktritt.

Die Universitätsleitung sollte schnellstens darlegen, was das Disziplinarverfahren eigentlich bringen sollte. Wenn man den betroffenen Professor für so verdächtig hält, dass ein Verfahren eingeleitet werden soll, dann doch im ersten Sinne kein Disziplinarverfahren. Sexuelle Nötigung ist ein Straftatbestand. Und die Verfolgung von Straftaten ist Sache der Staatsanwaltschaft, nicht Sache eines internen Klärungsversuchs. Fristen in einem Disziplinarverfahren können da meines Erachtens nicht ausschlaggebend sein.
Andererseits: Wenn man die Angaben des vermeintlichen Opfers für unglaubwürdig hält, ergibt ein Disziplinarverfahren gegen den betroffenen Professor gar keinen Sinn.

Eine Erklärung tut not, nicht dass irgendein findiger Jurist an dieser Stelle noch eine Straftat wähnt.

Ein verständliches Vorgehen wäre doch folgendes:

1. Verständigung der Staatsanwaltschaft zur Prüfung, ob es sich bei dem Vorwurf einer Strafsache rechtlich gesehen tatsächlich um eine Strafsache handelt. Während dieser Untersuchung hat die Presse nicht informiert zu werden. Somit wäre nicht davon auszugehen, das zu diesem Zeitpunkt irgendwem eine übermäßige Rufschä¤digung entsteht.

2. Je nach Ergebnis der Untersuchung unter 1. Einleitung des Strafverfahrens und des Disziplinarverfahrens oder Abweis des Vorwurfs.

Ich zitiere nochmal wie die Neue Westfälische die Universitätsleitung zitiert: Zunächst habe man aber von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen. Hat sich hier nicht jemand vollkommen in seinen Kompetenzen verhoben? Seit wann ist eine Universitätsleitung eine Rechtsinstanz, die von strafrechtlicher Verfolgung absehen kann?

Ist das der Normalfall? Eine Studentin kommt zur Universitätsleitung mit dem Vorwurf einer Strafsache und die Universitätsleitung schlägt ihr vor, das erstmal intern zu regeln? So als ob es Abhängigkeitsverhältnisse in der Universität, in denen Studenten schlechter gestellt sind, überhaupt nicht bestünden und sie im universitären Kontext völlig frei wären?

Dass der betroffene Professor Klage gegen Verleumdung erhebt, ist im Zuge des Verfahrens, das die Universitätsleitung eingeleitet hat, verständlich. Worauf soll auch ein so eingeleitetes Disziplinarverfahren fußen? Stellt sich heraus, dass keine Strafsache vorliegt, hat man den Professor nur aufgrund einer nicht haltbaren Behauptung suspendiert.

Aktualisierung vom 4. Juli
Die Uni-Gleichstellungsbeauftragte Uschi Baaken und Universitäts-Rektor Dieter Timmermann haben der Neuen Westfälischen ein Interview gegeben, das heute erschien. Timmermann wiederholte die Aussagen seines Pressereferenten und wies darauf hin, dass die Angelegenheit nicht früher der Staatsanwaltschaft gemeldet wurde, weil die betroffene Doktorandin noch nicht bereit dazu gewesen sei. Dem Vorwurf der späten Suspendierung versucht („Fakt ist…“) Timmermann den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er sagt, dass er wenige Tage zuvor den Auftrag erteilt habe, die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zu übergeben. Aber eben erst nachdem der betroffene Professor Klage erhob.

Die Redeweise von Timmermann ist bisweilen putzig:

Wir haben die junge Frau gleich im ersten Gespräch darauf hingewiesen, ob es nicht ein Fall für die Staatsanwaltschaft sei – weil es um Gewalt ging.

Diese Angelegenheit ist nicht ein Fall für die Staatsanwaltschaft, weil diese für Gewalt zuständig ist, sondern weil sie als Entscheidungsinstanz für die Strafverfolgung zuständig ist. Jetzt stelle man sich mal vor, in diesem Zitat stünde korrekterweise weil es um Strafverfolgung geht. Die Frage an die Doktorandin, ob es ein Fall für die Staatsanwaltschaft sei, ist zudem Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die eine Verletzung der Fürsorgepflicht sehen. Denn bei es handelt es sich doch offenkundig um die Vorwürfe der Doktorandin vergewaltigt und sexuell genütigt worden zu sein. Beides eindeutige Straftatbestünde.

Frau Baaken gibt an, man habe

das jetzt nach außen gegeben, als deutlich wurde, dass der Fall intern nicht zu klären ist.

Klar wurde ist offenbar bedeutungsgleich mit dem, was im Text der Neuen Westfälischen die Reaktion darauf, dass der betroffene Professor Klage wegen Verleumdung erhoben hat, war. Abgesehen davon: Man hat 10 Wochen lang versucht, den Vorwurf von Straftatbeständen intern zu klären?

Interessant ist auch, dass der Vorwurf der Doktorandin, vergewaltigt und sexuell genötigt worden zu sein, bei Timmermann lediglich es heisst und bei Baaken lediglich das.

Ein seltsames Interview. Da wird der Universitätsleitung vorgeworfen, sich mehr um das Renomée der Uni zu kümmern als um ernste Angelegenheiten seiner Beschäftigten, und dann gibt man ein Interview, das zur Hälfte das Renomée der Universität in Form von Fürsorge-Projekten zum Gegenstand hat. Stellen Sie sich mal vor, der Kölner Oberbürgermeister wäre zum Einsturz des Stadtarchivs interviewt worden und hätte geantwortet: „Ja, stimmt schon, das Ding ist eingestürzt. Aber wir haben da vor 2 Wochen ein Turnhalle gebaut: Die steht noch!“ An die Universitätsleitung wird doch nicht der Vorwurf herangetragen, etwas zu vertuschen, wie Timmermann meint. Die Art der Behandlung der Angelegenheit steht in der Kritik.

So wiederholt dann auch die Gleichstellungsbeauftragte der betroffenen Fakultät als einzig Verbliebene des Gremiums gegenüber der Neuen Westfälischen ihre Kritik an der Universitätsleitung, sich im Missbrauchsfall zu spät um Aufklärung bemüht zu haben.

Aktualisierung vom 7. Juli
Auf der Seite OWL-Vielfalt wird ein Bericht des Westfalen-Blatts veröffentlicht. Auch ein früherer Dekan der betroffenen Fakultät kritisiert hierin das Verfahren der Universitätsleitung:

Die Universitätsleitung hatte den Professor schließlich vergangenen Mittwoch suspendiert. Zu spät, wie ein früherer Dekan am Freitag kritisierte: »Das ist ein Fall nur für Polizei und Justiz. Das Rektorat hat keine eigene Gerichtsbarkeit.«

Der Sinn des Gesagten ist wohl klar, dennoch sei festgehalten: Als Instanz bezüglich Disziplinarstrafen hat die Universitätsleitung sehr wohl eine eigene Gerichtsbarkeit.

In diesem Artikel wird auf derselben Seite kritisiert, dass Berichte, die über diese Angelegenheit als Sex-Skandal klassifizierten, die Angelegenheit verharmlosten. Dem stimme ich nicht zu, da die Angelegenheit einerseits nicht geklärt wurde, d.h. möglicherweise ist es „nur“ zu Sex gekommen, wie die Blogboys auch meinen, andererseits habe ich grundsätzlich nichts gegen die Verwendung eines Begriffes wie „erzwungener Sex“ und sehe darin selbstverständlich eine rechtsbrechende Gewalteinbringung. Der Begriff Sex ist nicht genuin romantisch.

Aktualisierung vom 9. Juli

In der Neuen Westfälischen wird heute der Vorwurf der Gleichstellungskommissionsvorsitzenden der Fakultät an die Universitätsleitung konkretisiert:

Die Vorsitzende der fakultätseigenen Gleichstellungskommission, die als Vertraute der Anzeigenerstatterin intern in die Kritik geraten war („Vermengung von Funktion und Privatmeinung“), bekräftigte nach dem Interview mit Rektor Timmermann ihre Vorwürfe gegen die Entscheidungen der Uni-Leitung: „Der Name der Betroffenen ist schon im November im Personaldezernat genannt worden.“ Allerdings noch nicht im Zusammenhang mit den erst am 20. April geäußerten Vorwürfen, sondern „als abhängige Mitarbeiterin“. (…) Weder die Gleichstellungsbeauftragte der Uni noch die Personaldezernentin hätten damals die 27-Jährige zum Einzelgespräch gebeten, so die Kritik: „Das war Nichthilfe und verletzte Fürsorgepflicht.

Wie gesagt, der Umstand, dass mindestens zweimal innerhalb eines Semesters an die Universitätsleitung gerichtete Klagen von Studentinnen bezüglich des Umgangs mit demselben Professor auftauchen, ist laut Universitätsleitung als verschiedene Fälle zu betrachten. Selbst das Niederschreiben dieses Satzes gestaltet sich schwierig. Wahrscheinlich ist auch für die Universitätsleitung die ignorierte Klage von Studentinnen über das angeblich sexistische Verhalten des Professors vom vergangenen März ein ganz anderer Fall. Und die Klage als abhängige Mitarbeiterin – sicherlich ein ganz anderer Fall. Die Klage, bezüglich derer der Professor in diesem Semester einen Eintrag in die Personalakte erhielt: Ganz was anderes.

Der beschuldigte Professor seinerseits bleibt suspendiert:

(D)er Beschuldigte soll suspendiert bleiben, bis über den Sachverhalt (sexuelle Nötigung oder Vortäuschen einer Straftat) in einer Gerichtsverhandlung entschieden worden ist.

Und der Grund ist, dass er Klage wegen Verleumdung erhoben hat? Dass er verklagt wurde wegen derzeit nicht bewiesener sexueller Nötigung, die er abstreitet? Dass diverse Leute sich ihr Maul über ihn zerreissen?
Oder vielleicht doch der Selbstschutz der Universitätsleitung, die in diesem Verfahren möglicherweise Fehler gemacht hat, und deren Renomée nicht noch mehr beschädigt werden soll? Dann könnte man ja wenigstens einen der drei hier beteiligten Hauptakteure schätzen. Immerhin.

Aktualisierung vom 14.11.

Die NW berichtet: Für die Staatsanwaltschaft steht in dieser Angelegenheit Aussage gegen Aussage, so dass man nicht Anklage erheben möchte. Der Anwalt der betroffenen Studentin sieht das anders.

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es muss ein druck durch deutschland gehen

Folgenden Text habe ich vor drei Jahren einmal zur damaligen Einführung von Studiengebühren an der Universität Bielefeld geschrieben. Im Tenor hat sich der Text einfach nicht überlebt.

Es muss ein Druck durch Deutschland gehen[1. 1. Inzwischen schnallt die Überschrift nicht mehr jeder. Es handelt sich dabei um eine Anspielung an die erste Berliner Rede von Roman Herzog, die ich weiterhin für lesenswert halte. ]

In Bielefeld sind Studiengebühren eingeführt. Auf komplizierte Begründungen hat man verzichtet. Man müsse unbedingt vorsorgen für den Fall, dass z.B. in Köln Studiengebühren eingeführt würden. Kennen Sie diesen Spruch aus dem Rektorat? Die Angst ist wohl, dass Kölner die Bielefelder Uni überfluten. Sagen wir’s mal so: Noch
nicht mal in Düsseldorf gab es so eine Befürchtung.

Es war vorgesehen, Studiengebühren in Bielefeld erst dann einzuführen, wenn es ein für alle Studenten gerechtes Modell gibt. Hierzu zählt ein „gerechtes“ Kreditfinanzierungsmodell. Nun zahlt hierbei ein auf Kredit angewiesener Regel-Student nach dem Bachelor schon mindestens 1170€ mehr für sein Studium als jemand, der keinen Kredit benötigt. Nach dem Master zahlt er mindestens 2550€ mehr. „Was anderes kann man den Banken nicht zumuten“, meinte das Rektorat den Fachschaften gegenüber. Dem Rektorat zu Folge kämen bei einer anderen Lösung „die Reichen“ und nähmen die Banken aus. Das scheint ein Naturgesetz zu sein. Das Schlimmste für das Rektorat ist demnach wohl ein reicher Kölner: Quasi eine Bildungsheuschrecke.

Die Fachschaften merkten an, dass durch „mehr Geld“ kein Dozent, der eine schlechte Lehre macht, plötzlich zu jemandem wird, der eine gute Lehre macht. Die Reaktion des Rektorats: „Ja, aber das ist doch das Schöne am neuen System. Wir können denen jetzt endlich Druck machen!“ – Allgemeines Kopfschütteln der Fachschaften, dabei hatte doch nur ein Pädagoge seine Sehnsucht ausgedrückt. Die Fachschaften erklärten beiläufig, dass sie den Bachelor-Studiengang für Qualitätsverluste in den Abteilungen verantwortlich machten. Viele Studierende seien zwar auf einem Niveau, nur sei das Niveau im Keller. Hierzu meinte der Rektor: „Ja, sehen Sie: Das, was Sie da so negativ sehen, das sehe ich als Erfolg“. Das ist ein typisch neuzeitliches Gerede: „Ich hab’ meine Meinung. Du hast deine Meinung. Jetzt lass mich mal reden und dann darfst du mal reden. Und hinterher sind wir dann alle, alle glücklich.“ Aber es gibt dann nur noch Meinungen, keine Wahrheiten mehr.

Den Fachschaften wurde aber noch ein zusätzlicher Köder vom Rektorat angeboten: „Wenn Sie Probleme haben mit einem Dozenten, dann kommen Sie zu uns. Wir gehen dann dahin und machen dem schon Druck!“ Das wäre aber auch dumm, wenn ein deutsches System ohne funktionierende Befehlshierarchie und Diffamierungsmöglichkeit auskommen müsste. Es war ja nicht alles schlecht früher. Sie sehen aber an dieser Stelle deutlich, dass das Rektorat in die Debatte nicht mehr einbringt als Meinungen, Köder und Kraftausdrücke[2. 2. So philosophisch war meine Abteilung damals, dass es ein Doktorant für nötig empfand, mich darauf hin zu weisen, dass der hier verwendete Begriff „Kraftausdruck“ falsch sei. Damit würden vulgäre Begriffe gemeint sein. Verstanden worden bin ich dennoch ;-). ] .

Wochen später stellten die Fachschaften dem Rektorat eine neue Frage. In den aktualisierten Kreditbedingungen war die Klausel mit der Begrenzung der Zinserhöhung gefallen. Zinssätze können nun während der Kreditnahme beliebig hoch ansteigen. Die einzige Antwort des Rektorats auf die Frage, was es von dieser Veränderung hält, war: „Hören Sie auf zu opponieren, das alte Bildungssystem ist tot!“ Uns stört gar nicht unbedingt, dass Fragen nicht gut beantwortet werden. Was anderes ist bei diesem Rektorat nicht zu erwarten. Was uns Sorge bereitet, ist, dass der Gedanke der Universität abgewickelt wird. Es wird nicht mehr diskutiert. Es werden nur noch Sachzwänge herbeiargumentiert, die jede Diskussion erübrigen. So überzeugt man dann auch niemanden mehr, sondern drängt ihn höchstens zu resignieren. Glauben Sie ernsthaft, dass es all diese Sachzwänge gibt?

Statt gute Begründungen zu liefern, gibt das Rektorat auch nur noch „Updates“ von Meinungen heraus. Über die rückläufigen Anfängerzahlen meinte das Rektorat zunächst, diese hätten „auf gar keinen Fall mit Studiengebühren und NC“ zu tun, sondern mit der prekären Sicherheitslage an der Uni. Problemlos schien das Rektorat die Motive von nie an der Uni gewesenen Nichtanfängern ausmachen zu können. Dann hat man erkannt, dass das doch etwas albern klingt, und es kam ein Update heraus. Die rückläufigen Anfängerzahlen seien „nicht auf Studiengebühren, aber auf die neuen NC“ zurückzuführen. Eine Woche später kam das nächste Update: Eigentlich haben wir nicht weniger Studenten, es hat sich nur „anders verteilt“. Wir können Ihnen schon jetzt eine Preview auf das kommende Update geben: Man hat festgestellt, dass es vermutlich ein geburtenschwacher Jahrgang war und deswegen haben wir eigentlich, obwohl wir weniger haben, mehr.

Wieso es nur Updates gibt? Wegen eines Sachzwangs: Das Rektorat meint, es würde an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn es öffentlich Fehleinschätzungen eingestehen würde. Das ist in etwa auch der Grundgedanke aus Des Kaisers neue Kleider. Ähnlich verfuhr das Rektorat mit dem Thema „Parkstudenten“. Das sind solche, die keine Zusage für ihr gewünschtes Fach haben und sich deswegen irgendwo anders einschreiben, nur um an der Uni zu sein. „Irgendwo anders“ war in diesem Jahr z.B. der NC freie Physik-Studiengang. Und wissen Sie, was das Rektorat derzeit über diese Entwicklung sagt? Man habe einen außerordentlichen Boom in der Physik festgestellt, was eine Bestätigung der guten Leistungen in Bielefeld sei. Das ist das Vorteilhafte, wenn man nur über Meinungen verfügt: Man kann alles, aber auch wirklich alles schönreden. Nur hilft das zur Bewältigung der Problematik von Parkstudenten nicht weiter.

Sofern die Studierenden von der ungleichen Machtverteilung in der Studiengebühren-Debatte absehen, protestieren sie gegen die Gebühren. Die Dozenten waren bislang deutlich zurückhaltender. Wer tatsächlich von all diesen Sachzwängen überzeugt ist, der gehe mit dem Rektorat! Entledigen Sie sich des überholten Universitätsbegriffs! Dies ist ein Wirtschaftsunternehmen!

Machen Sie, liebe Dozenten, sich nur auf eines gefasst: Irgendwann wird ein Männchen in ihrem Büro stehen, dass von Inhalt und Methodik ihres Fachbereichs keine Ahnung hat, weil es das Fach nie studiert hat. Aber dieses Männchen wird Ihnen sagen, was Sie zu tun haben. Und wenn Sie dann versuchen, gute Gründe gegen diese Bevormundung einzubringen, dann wird das Männchen einen Zettel aus seiner Hose ziehen und Ihnen die Leitsätze dieser Bewegung vorlesen:

Das ist Ihre Meinung.
Ich hab meine Meinung.
Hören Sie auf zu opponieren.
Das alte Bildungssystem ist tot.

Schöne, neue Uni-Welt…[3. 3. Ein Dozent der philosophischen Abteilung meinte auf diesen Text bezogen zu mir: „Herr Herkenhoff, ich stimme Ihnen mit diesem Text in allen Dingen zu, außer der unterschwelligen Annahme, früher sei es an den Universitäten besser gewesen. Das stimmt nicht.“ ]

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40 jahre uni bielefeld, quo vadis?

Die Bielefelder Universität wird in diesem Jahr 40 Lenze alt. Grund genug für die Universitätsleitung, ein Fest zu planen. Dazu hätte man gerne auch eine geistige Auseinandersetzung, eine gewisse Zierde eben. Es wäre doch schön, wenn sich ein Redner fände, der die Frage klären könnte: Was ist eigentlich der Sinn dieser Universität?

Sowas könnte ein Philosoph behandeln, aber ob sich in der hauseigenen Abteilung jemand findet, der dazu sprechen möchte, ist wohl noch offen. Vor kurzem hat Jürgen Mittelstraß in Bielefeld über die universitätsinterne Rolle der Philosophie gesprochen. Auch kein so einfaches Thema. Er nahm Kant zu Hilfe. Das ist vielleicht etwas ungewöhnlich für die Richtung, aus der Mittelstraß kommt, aber es gibt halt auch kaum einen anderen guten Philosophen, der sich damit auseinander gesetzt hat. Dem anwesenden Rektor hat’s wohl gefallen.

Kant setzt sich im von Mittelstraß herangezogenen Buch Der Streit der Fakultäten ebenso mit der Frage nach dem Sinn einer Universität  auseinander. Nun ist das sicherlich, gerade für Fachfremde, keine sonderlich leichte Lektüre. Ich bringe Kants Haltung mal auf den kleinen, aber verständlichen Nenner: Was ist der vorrangige Sinn der Universität? Wahrheitsfindung oder Nutzenmaximierung? Und hier liegt die Bielefelder Crux: Kants Antwort und die, die offensichtlich in Bielefeld beherzigt wird, sind grundverschieden. Vielleicht findet man ja einen Geist, der besser zu Bielefeld passt. Kant ist einfach zu links für Bielefeld.

Der präferierte Gedanke zieht sich bis in die philosophische Abteilung hinein. Dort ist man besorgt über die geringen Master-Studierendenzahlen. Nachdem man dort vernommen hat, ich hätte Studenten empfohlen, nicht in Bielefeld Philosophie zu studieren, wurde ich angesprochen. Ich könne ja ruhig meine eigene Meinung haben, aber ob ich diese nicht für mich behalten könne, wurde ich gefragt[1. Als Studentenvertreter muss man sagen: Nein. Man muss nachfolgende Studenten über kritische Einschätzungen, über Risiken des bevorstehenden Studiums natürlich, möglichst ohne Schwarzmalerei, in Kenntnis setzen; abgesehen davon, dass in diesem Fall die unterstellte Behauptung gar nicht von mir vertreten wurde. ] . Ich bestritt diese Äußerung, wandte mich gegen den Inhalt der Aussage, und fragte nach genauem Wortlaut der Anschuldigung und nach Urheber dieser diskreditierenden Anschuldigung. Dazu erhielt ich keine Antwort. Für wen der Nutzen entscheidend ist, ist eine Wahrheitsanalyse eben manchmal Zeitverschwendung.

5 Mal wollte man mich in diesem Gespräch durch die Aussage Geld ist kein Problem zu irgendetwas motivieren. Als Gewinner dieser Unterhaltung verließ ich das Gespräch sicherlich nicht: In einer Ordnung, in der das Credo Richtig ist das, was Geld bringt vorherrscht[1. Und machen wir uns nichts vor: Selbst bei Bewerbungen für Professuren in der Bielefelder Abteilung für Philosophie ist mitentscheidend, wieviele Drittmittel die Kandidaten in petto haben, Grundgesetz hin oder her. ], werden diejenigen als Spinner angesehen, die ihre Ideale nicht verkaufen.  In der darauffolgenden Qualitätssitzung saßen dann geradezu demonstrativ Studenten ohne eigene kritische Meinung und Ideale. Das war den anwesenden Lehrenden auch irgendwie nicht recht.

Man kann behaupten, der vorhergehende Absatz sei mein Nachtreten, meine Genugtuung oder so etwas. Ich kann nur dagegenbehaupten, dagegenschreiben, dass mein Anliegen ein anderes ist: Mit diesem Absatz wollte ich nur exemplarisch darlegen, was für einige Leute in Bielefeld der Kritik schon zuviel ist. Vielleicht kann man ja daraus einen Universitätsbegriff stricken.

mehr Zur Einführung von Studiengebühren an der Uni Bielefeld: Es muss ein Druck durch Deutschland gehen

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zu besuch bei einer schlagenden bielefelder verbindung

Ein Bekannter feierte einst eine Party und wie ich irgendwann feststellte, war dies im Hause einer Bielefelder Studentenverbindung. In der Universität haben die Verbindungen unter den Studierenden oftmals keine gute Stellung, es gibt eine Mehrheit von Studierenden, die sich als links betrachten. Linke Studenten hassen Studentenverbindungen, aus persönlich-politischem Ermessen. Ich kannte bis dato keine derartigen Verbindungen und da ich keine Berührungsängste verspürte und wissen wollte, was meinen Bekannten zu einer derartigen Verbindung treibt, folgte ich der Einladung.

Diese Verbindung besitzt ein eigenes Haus an einer vielbefahrenen Straße, Bier ist immer da, mehr Betten als dort Wohnende, alte Schränke, antike Tische, es herrscht eine zugetane Stimmung unter den Anwesenden. In den Schrankvitrinen stehen Holzfiguren, veraltete Atlanten und alte Bücher, deren Autoren mir nichts sagen. Wir sitzen am Tisch, Bier wird gereicht, man quatscht über dies und das. Der Senior der Runde stellt sich als Kristallisationspunkt der Unterhaltung heraus. Man spricht zu ihm, wenn etwas erzählt werden soll. Wenn er nicht mal heftigst gegen einen Küchenschrank gelaufen ist, zeugt seine Stirn wohl von Charakterstärke. Er spricht laut und gewandt. Er adelt die humor- und spannungsfreien Geschichten der Nachkömmlinge mit seiner Aufmerksamkeit. Anwesende Frauen werden nicht ins Gespräch mit einbezogen. Niemand würde auf das, was ich sage, eingehen, außer dem Senior. Mir teilt er mit, dass er schon von mir gehört habe. Das klingt so schmeichelnd wie unglaubwürdig. Ich darf ihm erzählen, was ich so treibe und so erzähle ich unverfängliches Zeugs. Das Bier ist leer, neues kommt.

Ein weiterer Gast beehrt die Runde, es ist ein Verbindungsgast mit sächsischem Sprachklang. Auch er wendet sich an den Senior mit seinen Geschichten. Und obwohl ich nicht den Eindruck gewinne, dass man sich sonderlich gut kenne, reicht auch ihm die Adelung seiner Geschichten durch Aufmerksamkeit des Häuptlings. Er ist zufrieden. So zufrieden, dass er die schönste Neuigkeit seines Privatlebens preis geben mag: Er hat neuerdings eine Freundin. Wie schön. Und er hat sogar Glück gehabt, es sei ein „richtig deutsches Mädel.“

Meine Miene friert etwas ein und ich versuche mein sardonischen Lächeln etwas zu verbergen. Aber entweder hat der Senior dies bemerkt oder diese Bemerkung ist ihm selbst nicht ganz geheuer. Jedenfalls übernimmt er noch verstärkt die Redeleitung, erzählt von etwas völlig anderem. Was sein deutsches Mädel so deutsch macht, erfahre ich nicht. Ich bereichere das weitere Gespräch mit Party-Small-Talk und ab und an ironischen Sprüchen, merke aber fix: Ironie ist hier kein Aspekt der gewohnten Unterhaltung. Lacher bringen die Geschichten, bei denen referiert wird, welche Person sich auf welcher Party wann übergeben hat. Von diesen Geschichten gibt es viele. Und der Senior lacht über jede Kotzgeschichte.

Dass ich irgendwie anders rede, wird aber wahr genommen. Wir verlassen den Raum, teilen uns etwas auf und jemand stupst mich von der Seite an, um mir eine Frage zu stellen: Sag mal, für wen schreibst du? Für wen ich schreibe? Ja, du musst doch für wen schreiben. Die Frage überrascht mich in der Tat. Wer sollte jemanden beauftragen, eine Verbindungsparty dazu zu nutzen, um darüber zu schreiben? Die lokale Zeitung? Ich hatte bislang niemanden über seine Motive zur Nähe zu dieser Studentenverbindung gefragt, selbst das Thema Burschenschaft ist bislang nicht aufgekommen. Okay, wenn ich den Mund aufmache, dann bedacht. Sowas macht mich hier wohl schon zu etwas Extravagantem. Oder Anwesende ängstigen sich vor Öffentlichkeit. Jedem seine Paranoia. Wie sich erprügelte Charakterstärke mit der Angst vor einer sachlicher Darstellung ihrer Aktivitäten vereinigen lässt, erfahre ich an diesem Abend nicht. (Wenn ich jetzt darüber schreibe, dann deswegen, weil ich es interessant finde. Meine Motivation für den und beim Besuch war es nicht.)

Ich lerne englische Studenten dort kennen, die sich hier einquartiert haben. Ja, die anderen Bewohner hätten schon so ihre Eigenarten. Man sei auch daheim angehalten worden, nicht bei einer deutschen Burschenschaft zu übernachten. Aber die Übernachtungskosten seien so niedrig, dass man sich doch dafür entschieden habe. Man macht Trinkspielchen. Verbindungsstudenten verständigen sich radebrechend auf englisch mit den Gästen. Alkohol besorgt den Rest der Verständigung.

Gen Ende der Party möchte mir noch ein eingefleischter Verbundener erklären, dass die Burschenschaften auf wunderbare Weise Werte weitergäben. Dass sie schon vor dem Zweiten Weltkrieg für demokratische Strukturen stark gemacht hätten, dass konservative Werte überhaupt stärker an Heranwachsende vermittelt werden müssten. Ich wende ein, dass meinem Bekannten beispielsweise derartiger Wertetransport doch völlig am Allerwertesten vorbeigeht, dass das Rumgelage hier doch keinen Wert darstelle, und dass der historische Rückbezug albern sei und ernte ein hilfloses: „Doch!“

Die Verbindung ist durchaus gastfreundlich, das sollte man sagen. Die dort verbreiteten Ansichten, die Vereinsmeier- und Menschenfischerei bleiben mir allerdings wesensfremd. Aber gefährlich ist das nicht.

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bielefelder negerstreit

Die Blogboys haben die Diskussion zwischen dem Bielefelder IBZ (Internationales Begengungszentrum) und dem Bielefelder Stadtmagazin Ultimo um deren Verwendung des Wortes „Neger“ ins Internet gebracht. Damit ist auch die Diskussion „Worum geht’s da eigentlich?“ im Internet gelandet.
Man kann grundsätzlich sagen, dass da eine Vereinigung (IBZ) einer anderen (Ultimo) einen bestimmten Wortgebrauch vorschreiben möchte und ankreidet, letztere habe ein Wort („Neger“) in diskriminierender Weise verwendet. Genauer gesagt denkt man wohl, das Wort „Neger“ sei schlicht und einfach rein diskriminierend.

Darf man das nicht sagen? Was darf man sagen? Wer bestimmt, was man sagen darf?

Jetzt hat sich Indimedia aus nicht näher bekannten Gründen eingeschaltet, die auch ganz genau wissen, dass es sich bei den Wortverwendungen des Stadtmagazins um Rassismus handelt, und bekam postwendend von Ultimo eine Retourkutsche durch den Telefonhörer.

Soweit wohl der Stand der Dinge.

Der Streit um eine rechte Verwendung von Begriffen ist ein philosophischer, so abgehalftert das an dieser Stelle auch klingen mag. Der Bielefelder Philosoph Michael Wolff hat in seinem Buch Prinzipien der Logik die Meinung vertreten, dass seiner Ansicht nach man Begriffe verwenden könne, wie man wolle. Ich sympathisiere doch sehr stark mit dieser Ansicht. Man kann hinzufügen, dass in bestimmten sozialen Kontexten es angebracht ist, auf seine Wortwahl zu achten, um nicht unnötig anzuecken, aber verboten ist da nichts. Es ist dagegen etwas anderes, durch seine Worte klarerweise jemanden zu diskriminieren. Wenn man diesen Vorwurf erhebt, sollte man aber zugleich darlegen können, weswegen irgendetwas klarerweise so und nicht anders ist.

Die Sprachverwendung der Ultimo ist nun klarerweise mitunter ironisch, orientiert sich nicht an political correctness, ist sprachlich nicht immer 100%ig ausgefeilt. Damit rechnet der erfahrene Ultimoleser, jeder neue Ultimoleser gewöhnt sich schnell daran. Diese Ironie ist zugestandenerweise nicht immer geglückt, sprich: nicht jede Formulierung sollte man ein zu eins in Marmor hauen. Aber das Heft ist kostenlos, da sollte man Schwächen hier und dort erwarten. Wer nun der Ultimo klarerweise Rassismus vorwirft, verkennt oder ignoriert den Sprachkontext, in dem die Ultimo sich befindet. Und das ist eine Diskriminierung. Und das ist der eigentliche Punkt, um den es hier geht. Ich glaube, man muss Wortwahlen tolerieren, wenn sie nicht klarerweise direkt jemanden angreifen, was hier nicht geschehen ist.

Zugegeben – in den Antworten auf diese Vorwürfe war die Ultimo größtenteils geschmacklos, allerdings auf Grund der Art, wie dort welche Vorwürfe gemacht wurden. Wer hat denn ernsthaft von der Ultimo einen anderen Stil erwartet? Nein, nein, das muss man alles aushalten können, so leidvoll es für den einen oder die andere sein mag.

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zur lage der philosophen in bielefeld

Die Universität Bielefeld wurde 1969 gegründet und vom Soziologen Schelsky konzipiert. In dieser Konzeption war für die Philosophen vorgesehen, in ein Haus einzuziehen, das außerhalb der Universität am Hang des Teutoburger Waldes liegt. Heutzutage findet man dort das ZiF, das Zentrum für interdisziplinäre Forschung.
Die Philosophen sollten von dieser höher gelegenen Stelle einen guten Blick runter auf die Universität werfen können. Ein altes Bild, das auch gerne in Platons Dialogen verwendet wird. Auch dort begaben sich die Besserwisser wie Sokrates gerne runter zum Marktplatz, legten dort die Argumentationen des gemeinen Volks auseinander, und gingen dann wieder zurück, hinauf zu ihrer erhöhten Residenz.
Die Philosophen kamen aber als Abteilung dort nie an. Sie residieren im achten Stockwerk des T-Zahns in der Universität. Von dort kann man zwar auch runterschauen, aber es ist doch irgendwie nicht dasselbe.
Die Ideale Schelskys haben sich auch in anderer Hinsicht nicht erfüllt. Die Universität Bielefeld startete als “Reformuniversität”, als ein Gegenversuch zu all den Universitäten, bei denen “unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren” herrschte. Diesem Anspruch ist die Universität nie gerecht geworden, auch wenn es ein paar bekannte Wissenschaftler hervorgebracht hat.

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bielefeld und die provinzialität

Bielefeld wird gerne als Inbegriff von Provinz verwendet. Selbst in Orten, die noch provinzieller daherkommen als Bielefeld. Das ist einerseits der Inhalt der Bielefeld-Verschwörung, der andere ist der Nerv-Faktor, den dieser ‚Witz‘ Bielefeldern bereitet, wenn darauf Anspielende meinen, sie erzählten einen guten, geradezu neuen Witz.
Bei der Luhmann-Preisverleihung an Dworkin durch Habermas verwendete der Oberbürgermeister Bielefelds in Anwesenheit dieser Personen der Zeitgeschichte eine geschlagene Viertelstunde auf den Nachweis, Bielefeld sei eben keine Provinz. Es gibt wohl keinen besseren Beweis dafür, dass Bielefeld Provinz ist, als dass man für die Ausbreitung der Gegenthese länger als eine Viertelstunde braucht.
Das Provinzielle wird aber kaum ein Bielefelder bestreiten. Dabei ist die Möglichkeit der Mobilität, denke ich, wesentlich bedeutsamer für die Darstellung des eigenen qualitativen Lebensstils als der momentane Aufenthaltsort.
Aber es gibt Kleinigkeiten, da spielt sich das Provinzielle eben aus. Jeder Bielefelder, zum Beispiel, kennt die „Begleitmusik“ der Stadtbahn. Steigt man an der Endhaltestelle aus, knarzt eine Frauenstimme beharrlich „Mobil sagt tschüss, bis zum nächsten Mal.“. Und ich glaube, genauso beharrlich, lässt sich der gemeine Stadtbahnfahrer nicht ernsthaft von einer Tonbandstimme grüßen.
Zum anderen wird an der Haltestelle „Hauptbahnhof“ eine Klingeltonversion Beethovens Für Elise zur Vertreibung der ortsansässigen Penner verwendet. Der Erfolg dieser Aktion ist, dass man die Penner sage und schreibe 5 Meter links und rechts in die Flucht geschlagen hat. Wenn überhaupt. Wäre ich Initiator ihrer, würde ich sagen, die Aktion ist suboptimal gelaufen, das Ziel eigentlich verfehlt. Müsste das der Verantwortliche nicht auch denken? Nur dann nicht, wenn es gar kein Ziel gegeben hat oder das Ziel oder die Aktion vergessen wurde. Sowas ist in der Provinz aber eben okay. Ein Aufmucken wird es da so wenig geben wie Danksagungen irgendwelcher Bürger: „Liebe Stadt Bielefeld, vielen Dank für diesen Beethoven-Klingelton, der die Penner nervt. Er nervt uns zwar noch mehr, da er uns das elendige Rumstehen an der düsteren Haltestelle frühzeitig ankündigt. Aber diese akustische Belästigung ist eigentlich nichts gegen die vormals visuelle.“
Anhand derartiger Aktionen manifestiert sich Provinzialität, gesehen als Rückständigkeit, wesentlich intensiver als an geographischer Lage.

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wehlers humanismus

Erneut hat es das Forum offene Wissenschaft in Bielefeld geschafft, Hans-Ulrich Wehler für einen Vortrag mit dem Titel „Die Idee der Humanität in Geschichte und Gegenwart“ zu gewinnen.
Das letzte Mal, dass ich Wehler im FoW gesehen habe, wetterte er eindrucksvoll und bestimmt, manche werteten das als polemisierend, gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU. Damals erzählte er eine Anekdote über den seinerzeitigen Außenminister Joschka Fischer. Den habe er in Berlin auf einer Party getroffen und nachdem man den einen oder anderen intus hatte, soll Fischer einen Vergleich zu Genscher gezogen haben: „Halb soviele Amtsjahre, aber doppelt soviel Flugmeilen!“ Dem Publikum gefiel natürlich diese Anekdote, man traute sie Fischer ja auch ohne weiteres zu. In diesem Kontext wirkte sie allerdings befremdlich, aber Wehler konnte sie sich leisten.
Heute Abend nun sprach Wehler über Humanismus. Man durfte gespannt sein, schliesslich wagte Wehler sich damit ausserhalb seines Forschungsbereichs. Dies räumte Wehler vor einer hörsaalfüllenden Fangemeinde auch ein, warb aber dafür den Humanismus als europäisches Kulturgut, das auf dem Christentum aufgebaut worden sei, weiter zu befördern. Das Christentum habe gezeigt, dass es ein derartiges Kulturgut verbreiten könne. Daher habe er auch nichts dagegen, es in eine europäische Verfassung Gott einzubinden, da der christliche Glaube eben auch europäisches Kulturgut sei, auch wenn er selbst die jüdische Religion der christlichen in inhaltlicher Sicht bevorzugen würde.
Bezogen auf letzteres sagte er, es sei leichter an einen einzigen gesetzgebenden Gott zu glauben als an ein gemischtes Team aus Gott, Engeln und sonstigen Wesen. Wehler betonte, in einem derartigen Rahmen sei es immer ratsam, den Inhalt mit einer politischen Aussage zu verknüpfen, das erklärte sein Werben für die Anerkennung des Humanismus als europäischem Exportschlager. Andere Religionen oder Amerika mit seinem Way-of-life hätten eine derartige Wertetradition nicht vorzuweisen.
Und an diesem Punkt sprach Wehler, der jahrelang in den Vereinigten Staaten lehrte, doch noch etwas für mich interessantes an. Ihn habe dieser starre, unerschütterliche Glaube an den american way of life immer irritiert. Die Geschichte des Tellerwäschers, der zum Millionär wird, würde immer wieder durch die eine oder andere derartige Geschichte bestätigt, während sich niemand über die oftmals fehlende Krankenversicherung wunderte. Der Glaube, der Einzelne müsse nur hart genug arbeiten, dann bekomme er schon seinen verdienten Lohn, sei wesentlich grundlegender verankert als die Idee von einer umfassenden Sozialversorgung.
Jetzt leuchtet mir schon eher ein, weswegen aktuelle amerikanische Filme ums Verrecken nicht auf den Einen, der alle rettet, verzichten kann, aber Rawls‘ Theorie muss ich darauf hin nochmal testen.

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7 uhr morgens in ostwestfalen

Klingelt doch heute mitten in der Nacht um 7 das Telefon. Muttern dran. „Du, samma, schneit das bei euch auch?“ „Hmmm, ähhh, jo, schneit, wieso?“ – „Wollt ich nur wissen.“ – „Aha, sonst nix?“ – „Post ist angekommen.“ – „Aha, sonst nix?“ – „Nö.“ – „Deswegen rufste an?“ – „Konnt ich ja nicht wissen, dass da wer ran geht.“ Stimmt, da hatse recht.

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