düssel under

Gestern hat es heftigst geschüttet in Düsseldorf. Wenn man keinen großen Regenschirm dabei hatte, blieb man besser zuhause. Und das taten dann wohl auch die meisten Düsseldorfer, sofern sie nicht auf der Arbeit steckten. Was mir gestern beim Schlendern durch Düsseldorf by rain auffiel:

Die Straßenbahnen sind unheimlich düster, niemand liest Zeitung oder ein Buch. Das ist in München beispielsweise ganz anders. Da sieht man diverse Zeitungsleser. Freut sich über jemanden, der dieselbe Zeitung liest, über einen Lesefreund im Geiste oder schaut interessiert, was die Abendzeitung titelt. Oder irgendeine überregionale Zeitung. Es werden in München auch gerne mal nichteinheimische überregionale Zeitungen gelesen. Da ist Düsseldorf doch provinzieller als man es gerne hat. Das mag auch an den Zeitungen liegen. Wer schlägt schon gern in der Straßenbahn die WAZ oder die Rheinische Post auf? Dann doch lieber auf dem Handy daddeln.

Genauso ist niemand ist in der Innenstadt auf den Straßen mit dem Fahrrad unterwegs. Man sitzt lieber haltungslos, schluffig in der Straßenbahn und wartet aufs Ankommen. Generell scheint das Fahrrad nur in den kleinen Vorstadteilen und im Park zum Einsatz zu kommen. Sowas irritiert einen Münsterländer ja dann doch etwas. Die Flexibilität, die dieses beschlauchte Gefährt dem sportlichen jungen Menschen von heute bietet, möchte man doch ungern eintauschen gegen das gesackte Zeitabsitzen. Wird man sich wohl an sowas gewöhnen können? Oder bricht man dann doch mit der Kleingroßstadtkultur?

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wärst du düssel doch im dorf geblieben

Schon wieder ein paar Tage in Düsseldorf. Gestern war es etwas bedeckt, aber irgendwann ließ sich die Sonne dann doch sehen. Wir saßen am Rhein und taten, was wir immer machten, wenn wir am Rhein sitzen: Wir erfinden Biographien der Vorbeilaufenden.

Zumindest das lässt sich hervorragend vollziehen in der Rheinstadt. Womit für mich allerdings noch nicht ganz geklärt ist, weswegen mir Düsseldorf wie das Bielefeld des Rheinlandes vorkommt. Auch wenn es nicht aus der Welt ist, so zieht es uns Münsterländer kaum dort hin. Nach Köln schon, aber Düsseldorf? Nein, eigentlich weniger. Dennoch halten sich die Düsseldorfer mit gerade einmal 260.000 Einwohnern mehr als Bielefeld für Großstädter. Weil man alles zu Fuß erreichen kann. Klares Zeichen für eine Großstadt, wenn man mich fragt.

Mein kleines Lesterschwein hab ich mal gefragt, ob sie mir als Wahl-Essenerin nicht mal die Affinität von Großstädtern zu Großstädten erklären könne könne:

Ja, das ist einfach so: Die brauchen einfach Beton!

Während meine bessere Hälfte meinte:

Es geht nicht um den Beton, sondern um den Gestank.

Ich forsche weiter.

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düsseldorf und zurück

Ich hab schon wieder ein paar Tage in Düsseldorf verbracht und dem Düsseldorfer ist doch der Städtevergleich ein wichtiges Anliegen. Jetzt habe ich es leider versäumt ein paar Fotos in Düsseldorf zu schießen, obwohl meine Kamera eigentlich immer Griffbereit war. Naja, wenn die Erlebnsise für sich genommen wichtiger sind, dann denkt man eben auch nicht immer ans Knipsen. Für den Metropolen-Vergleich verweise ich somit mal an Harald Schmidt:

Und wir wundern uns: Es hat doch damals tatsächlich zur Harald-Schmidt-Show den Videorecorder angeschmissen und das Aufgenommene konserviert. Und! Helmut Zerlett hatte mal Haare!

Das ist nun schon etwas älter, dürfte aber wohl noch hinkommen. Für mich als Provinz-NRWler ist Düsseldorf ja ein Inbegriff für Kultur, sprich, Museen, Theater, dann natürlich die Kö, der Rhein, die Toten Hosen. Ja, aber ein Must-Go ist Düsseldorf irgendwie nicht, wenn man nicht Privatanreize hat. Das Nonplusultra fehlt gegen über dem beschaulicheren Westfalen, wenn Düsseldorf auch durchaus Atmosphäre versprüht.

Statt Karten eigener Bilder abschließend dann mal das Gewitter von Samstag auf Sonntag am Rhein:

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es muss ein druck durch deutschland gehen

Folgenden Text habe ich vor drei Jahren einmal zur damaligen Einführung von Studiengebühren an der Universität Bielefeld geschrieben. Im Tenor hat sich der Text einfach nicht überlebt.

Es muss ein Druck durch Deutschland gehen[1. 1. Inzwischen schnallt die Überschrift nicht mehr jeder. Es handelt sich dabei um eine Anspielung an die erste Berliner Rede von Roman Herzog, die ich weiterhin für lesenswert halte. ]

In Bielefeld sind Studiengebühren eingeführt. Auf komplizierte Begründungen hat man verzichtet. Man müsse unbedingt vorsorgen für den Fall, dass z.B. in Köln Studiengebühren eingeführt würden. Kennen Sie diesen Spruch aus dem Rektorat? Die Angst ist wohl, dass Kölner die Bielefelder Uni überfluten. Sagen wir’s mal so: Noch
nicht mal in Düsseldorf gab es so eine Befürchtung.

Es war vorgesehen, Studiengebühren in Bielefeld erst dann einzuführen, wenn es ein für alle Studenten gerechtes Modell gibt. Hierzu zählt ein „gerechtes“ Kreditfinanzierungsmodell. Nun zahlt hierbei ein auf Kredit angewiesener Regel-Student nach dem Bachelor schon mindestens 1170€ mehr für sein Studium als jemand, der keinen Kredit benötigt. Nach dem Master zahlt er mindestens 2550€ mehr. „Was anderes kann man den Banken nicht zumuten“, meinte das Rektorat den Fachschaften gegenüber. Dem Rektorat zu Folge kämen bei einer anderen Lösung „die Reichen“ und nähmen die Banken aus. Das scheint ein Naturgesetz zu sein. Das Schlimmste für das Rektorat ist demnach wohl ein reicher Kölner: Quasi eine Bildungsheuschrecke.

Die Fachschaften merkten an, dass durch „mehr Geld“ kein Dozent, der eine schlechte Lehre macht, plötzlich zu jemandem wird, der eine gute Lehre macht. Die Reaktion des Rektorats: „Ja, aber das ist doch das Schöne am neuen System. Wir können denen jetzt endlich Druck machen!“ – Allgemeines Kopfschütteln der Fachschaften, dabei hatte doch nur ein Pädagoge seine Sehnsucht ausgedrückt. Die Fachschaften erklärten beiläufig, dass sie den Bachelor-Studiengang für Qualitätsverluste in den Abteilungen verantwortlich machten. Viele Studierende seien zwar auf einem Niveau, nur sei das Niveau im Keller. Hierzu meinte der Rektor: „Ja, sehen Sie: Das, was Sie da so negativ sehen, das sehe ich als Erfolg“. Das ist ein typisch neuzeitliches Gerede: „Ich hab’ meine Meinung. Du hast deine Meinung. Jetzt lass mich mal reden und dann darfst du mal reden. Und hinterher sind wir dann alle, alle glücklich.“ Aber es gibt dann nur noch Meinungen, keine Wahrheiten mehr.

Den Fachschaften wurde aber noch ein zusätzlicher Köder vom Rektorat angeboten: „Wenn Sie Probleme haben mit einem Dozenten, dann kommen Sie zu uns. Wir gehen dann dahin und machen dem schon Druck!“ Das wäre aber auch dumm, wenn ein deutsches System ohne funktionierende Befehlshierarchie und Diffamierungsmöglichkeit auskommen müsste. Es war ja nicht alles schlecht früher. Sie sehen aber an dieser Stelle deutlich, dass das Rektorat in die Debatte nicht mehr einbringt als Meinungen, Köder und Kraftausdrücke[2. 2. So philosophisch war meine Abteilung damals, dass es ein Doktorant für nötig empfand, mich darauf hin zu weisen, dass der hier verwendete Begriff „Kraftausdruck“ falsch sei. Damit würden vulgäre Begriffe gemeint sein. Verstanden worden bin ich dennoch ;-). ] .

Wochen später stellten die Fachschaften dem Rektorat eine neue Frage. In den aktualisierten Kreditbedingungen war die Klausel mit der Begrenzung der Zinserhöhung gefallen. Zinssätze können nun während der Kreditnahme beliebig hoch ansteigen. Die einzige Antwort des Rektorats auf die Frage, was es von dieser Veränderung hält, war: „Hören Sie auf zu opponieren, das alte Bildungssystem ist tot!“ Uns stört gar nicht unbedingt, dass Fragen nicht gut beantwortet werden. Was anderes ist bei diesem Rektorat nicht zu erwarten. Was uns Sorge bereitet, ist, dass der Gedanke der Universität abgewickelt wird. Es wird nicht mehr diskutiert. Es werden nur noch Sachzwänge herbeiargumentiert, die jede Diskussion erübrigen. So überzeugt man dann auch niemanden mehr, sondern drängt ihn höchstens zu resignieren. Glauben Sie ernsthaft, dass es all diese Sachzwänge gibt?

Statt gute Begründungen zu liefern, gibt das Rektorat auch nur noch „Updates“ von Meinungen heraus. Über die rückläufigen Anfängerzahlen meinte das Rektorat zunächst, diese hätten „auf gar keinen Fall mit Studiengebühren und NC“ zu tun, sondern mit der prekären Sicherheitslage an der Uni. Problemlos schien das Rektorat die Motive von nie an der Uni gewesenen Nichtanfängern ausmachen zu können. Dann hat man erkannt, dass das doch etwas albern klingt, und es kam ein Update heraus. Die rückläufigen Anfängerzahlen seien „nicht auf Studiengebühren, aber auf die neuen NC“ zurückzuführen. Eine Woche später kam das nächste Update: Eigentlich haben wir nicht weniger Studenten, es hat sich nur „anders verteilt“. Wir können Ihnen schon jetzt eine Preview auf das kommende Update geben: Man hat festgestellt, dass es vermutlich ein geburtenschwacher Jahrgang war und deswegen haben wir eigentlich, obwohl wir weniger haben, mehr.

Wieso es nur Updates gibt? Wegen eines Sachzwangs: Das Rektorat meint, es würde an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn es öffentlich Fehleinschätzungen eingestehen würde. Das ist in etwa auch der Grundgedanke aus Des Kaisers neue Kleider. Ähnlich verfuhr das Rektorat mit dem Thema „Parkstudenten“. Das sind solche, die keine Zusage für ihr gewünschtes Fach haben und sich deswegen irgendwo anders einschreiben, nur um an der Uni zu sein. „Irgendwo anders“ war in diesem Jahr z.B. der NC freie Physik-Studiengang. Und wissen Sie, was das Rektorat derzeit über diese Entwicklung sagt? Man habe einen außerordentlichen Boom in der Physik festgestellt, was eine Bestätigung der guten Leistungen in Bielefeld sei. Das ist das Vorteilhafte, wenn man nur über Meinungen verfügt: Man kann alles, aber auch wirklich alles schönreden. Nur hilft das zur Bewältigung der Problematik von Parkstudenten nicht weiter.

Sofern die Studierenden von der ungleichen Machtverteilung in der Studiengebühren-Debatte absehen, protestieren sie gegen die Gebühren. Die Dozenten waren bislang deutlich zurückhaltender. Wer tatsächlich von all diesen Sachzwängen überzeugt ist, der gehe mit dem Rektorat! Entledigen Sie sich des überholten Universitätsbegriffs! Dies ist ein Wirtschaftsunternehmen!

Machen Sie, liebe Dozenten, sich nur auf eines gefasst: Irgendwann wird ein Männchen in ihrem Büro stehen, dass von Inhalt und Methodik ihres Fachbereichs keine Ahnung hat, weil es das Fach nie studiert hat. Aber dieses Männchen wird Ihnen sagen, was Sie zu tun haben. Und wenn Sie dann versuchen, gute Gründe gegen diese Bevormundung einzubringen, dann wird das Männchen einen Zettel aus seiner Hose ziehen und Ihnen die Leitsätze dieser Bewegung vorlesen:

Das ist Ihre Meinung.
Ich hab meine Meinung.
Hören Sie auf zu opponieren.
Das alte Bildungssystem ist tot.

Schöne, neue Uni-Welt…[3. 3. Ein Dozent der philosophischen Abteilung meinte auf diesen Text bezogen zu mir: „Herr Herkenhoff, ich stimme Ihnen mit diesem Text in allen Dingen zu, außer der unterschwelligen Annahme, früher sei es an den Universitäten besser gewesen. Das stimmt nicht.“ ]

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verstörungen

Gestern war mal wieder ein Museumstag angesagt. In Düsseldorf gibts gerade zwei sehr interessante Ausstellungen, die von Caravaggio und die von Francis Bacon. Die lassen sich sogar nacheinander bestaunen, soviele Bilder sinds nichts. Beide haben was drastisches an sich, also ein rein ästhetischer Wohlgenuss will sich nicht sofort einstellen, man muss schon was dafür tun. Aber dann reitzt einen das Schaffen der beiden schon. Caravaggio stellt in seinen Bildern beinahe psychologische Studien über die Gemalten an. Der Betrachter fragt sich fortwährend, was die Personen da tun und weswegen sie es tun. Deswegen scheinen seine Bilder speziell für Kriminalschriftsteller interessant. Im Eingang des „Kunst Palastes“ in Düsseldorf wird Henning Mankell zitiert, dass Caravaggio immer etwas suche, statt diesem aber was anderes finde. Im Internet findet sich das Statement von Ingrid Noll, dass Caravaggio Kriminalgeschichten in Bilder verpacke. Naja, davon muss man nicht viel halten, um einen eigenen Genuß an den Bildern zu finden. Aber zum Spekulieren regt es allemal an. Bei Francis Bacon stehen keine kriminelle Handlungen im Vordergrund, sondern meist Sexualität, Einsamkeit und Schreie. Dem Betrachter überkommt eine Beklommenheit, die einige Kritiker als Gewaltausdruck in den Bildern identifizieren. Gewalt hab ich jetzt nicht gesehen, die Bilder sind für mich eher komplex und mitunter verstörend. Und das hat auch was…

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