johanna adorján – eine exklusive liebe

Johanna Adorján hat ein Buch geschrieben. Nicht verwunderlich, wer schreibt heute kein Buch. Adorján ist im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig. Sie kann schreiben, wie man so schön sagt. Interessant wird es, wenn sie über ihre Ansichten ihrerselbst in der Popkultur schreibt. Alles andere wirkt unpassend. Interviewt sie jemanden, dann dreht sich ein Teil des Interviews immer auch um sie. Versucht sie irgendetwas zu kommentieren, wird das so seicht, dass man sagen muss: Da gibt es wesentlich Gehaltvolleres, das schon gesagt worden ist.

Nun hat sie ein Buch über ihre Großeltern geschrieben, die im Jahre 1991 Selbstmord begangen. Man muss vieles kaufen, um diese Geschichte zu lesen. Zunächst natürlich das Buch. Dann die Popkulturattitüde, mit der Johanna Adorján sich umgibt, den journalistischen, unbelletristischen Schreibstil und ganz viel Kitsch.

Das fängt schon beim Cover an. Im Titel ist „Liebe“ in einer ausladenden, geschwungenen Schrift gehalten, das Cover ziert ein Papierbändchen mit der Einschätzung Lily Bretts, die die Autorin inspiriert hat, und innen drin sieht man ein Foto Adorjáns. Und all das ist schon ganz schrecklich. Warum muss durch das hingeschwungene „Liebe“ der Kitsch auf die Frontseite gehoben werden? Naja, lassen wir das. Lily Brett, ihres Zeichens wohl nicht ganz objektiv, hat sie die Autorin doch zum Niederschreiben der Geschichte animiert, resümiert das Buch wie folgt: „Ein eindringliche, komplexe, hinreißende, leidenschaftliche, schmerzliche und oft komische Liebesgeschichte.“ Ziemlich viele Adjektive für 178 Seiten. Die Bemerkung trifft und trifft auch wieder nicht. Denn das Buch ist weder eindringlich, komplex, hinreißend, leidenschaftlich oder schmerzlich, zumindest nicht für den Leser. Und komisch? Nein, es ist nicht komisch. Es ist seicht. Es ist geschrieben, als gehöre es eigentlich in einen Feuilletonteil, nicht zwischen Buchdeckel. Emotional werden wohl nur Leute mitgenommen, die auch bei Pretty Woman Heulkrämpfe kriegen. Jetzt wissen Sie ungefähr, welche Leserschaft dieses Buch haben soll.

Wieso trifft diese Bemerkung? Sie trifft, weil sie dem Schreibstil Adorjáns ähnelt. Da werden Worte in Nebensatzketten geschubst, die gut klingen (lesen Sie die Sätze einmal laut), mit derem Inhalt der Leser aber alleine klarkommen soll. Das Buch ist voll von eigenen Mutmaßungen der Autorin, die lose im Raum stehen, voll von literarisch angehauchten, aber eben nicht einleuchtenden Beschreibungen. Abgerundet wird das Cover durch ein Bild Adorjáns, dass eine Coverversion eines anderen Bild von ihr ist. Wieder geht auf dem Bild die Hand zum Hals, wurde gerade das Haar übers Ohr gestreift, wieder soll Verletzlichkeit Wertherschen Ausmaßes dargestellt werden. Nur diesmal eben in rosa und blond, nicht in blau und gelb. Soviel Spielerei gestehe ich gerne zu.

Weg von Äußerlichkeiten. Wenn man das Cover beiseite lässt, könnte man dem Buch noch eine Chance geben. Aber das wird schwierig. Adorján schreibt die Geschichte einer Enkelin, einer Familienangehörigen über ihre Großeltern. Dass das subjektiv ist, ist unmöglich zu bemängeln. Dass man darüber in eigener Form ein Buch verfassen darf, sei unbenommen. Dass die Wahl der Mittel hierfür ebenso subjektiv ist, jaja, das geht alles klar.

Aber ein unbefriedigter Leser sollte klarmachen dürfen, was ihn unbefriedigt gelassen hat. Wer erwartet, dass bei einer Geschichte des Selbstmords eines Ehepaars, das scheinbar größere Gefahren schon überstanden hat, über deren Motive, zumindest sofern davon etwas zu erfahren war, erzählt wird, sieht sich enttäuscht, gerade weil das Buch doch einen so subjektiven Ton anschlägt. Es gibt nur Mutmaßungen, nur lose Einschätzungen, und das Zutreffen dieser Mutmaßungen ist kaum erkennbar. Kann sein, kann nicht sein, naheliegend klingt das nicht. Warum kann Ardorján den Figuren nicht näher kommen, als indem sie ihre Gebrauchsgegenstände anschaut und Lebenswegbegleitern Fragen stellt? Da, wo der Leser, die Stärken des Buches erwartet, ist es schwach. Dabei ist die Methodik Ardorjáns nicht ungeeübt, nicht fehl am Platz.

Das soll hier kein Veriss werden. Adorján gehört fraglos zu den wenigen Feuilletonisten, die wegen der Beherrschung ihres Handwerks Aufmerksamkeit verdienen. Das Buch hat das Recht, so subjektiv zu sein, wie es will. Mir scheint es, einen Mangel zu haben, aber es wird Leserinnen finden.

[Leseprobe]

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