wie mein fehler in die süddeutsche zeitung kam

Irgendwie habe ich was, was Politiker gerne hätten: Glaubwürdigkeit.

Ich habe in den letzten Wochen zwei Leserbriefe geschrieben, eigentlich nur deswegen, weil die lokale Presse meines Erachtens nicht kritisch genug den Fall Dieter Jasper dargestellt hat. Leserbriefe sind als Stilmittel immer etwas belastet, weil dem Schreiber immer der Wille, sich selbst nach vorne zu stellen, unterstellt wird. Naja, egal. Interessant am ersten Brief ist eigentlich, dass sich einzelne Dinge weiterverbreiten:

Es stimmt nicht, wenn ich schreibe, dass sich Jasper „naiv“ genannt hat, er sagte „leichtgläubig“. Diese Behautung taucht aber in der Stellungnahme der SPD derselben Zeitungsausgabe auf, die sich wohl an mir orientiert hat, da der Text schon tagsüber bei mir zu finden war.

Ich schreibe auch, die Uni habe „nur einen Briefkasten“. Das stimmt nicht: Eine Internetseite war zu Jaspers Promotion und lange danach vorhanden und Büroräume hat die Uni auch bis heute. Diese Briefkasten-Behauptung hat es allerdings in die Süddeutsche Zeitung geschafft.

Immerhin wandern auch die fehlerfreien Stellen weiter. Der zweite Leserbrief gefiel einem Frank Schulze wohl so gut, dass er ihn 1:1 in abgeordnetenwatch.de untergebracht hat.

Weiterlesen

sich aufdrängende fragen bezüglich des falschen doktortitels von dieter jasper angesichts einer ausbleibenden öffentlichen stellungnahme

In der letzten Woche hat die Kreis-CDU auf eine „restlose Aufklärung“ durch Dieter Jasper bezüglich seines Doktortitels gehofft. Offensichtlich hat sie die bekommen, die Öffentlichkeit bisher allerdings nicht. Daher möchte ich einmal Fragen über typische Eigenschaften von Promotionen in der Schweiz stellen, die eine „restlose Aufklärung“ sicherlich beantworten könnte:

Herr Jasper, haben Sie einen Doktorvater? Oder gab es in Teufen eine andere wissenschaftliche Begleitung während der Promotion? Gibt es eine Analyse eines Wissenschaftlers über die Doktorarbeit? Lag Ihnen jemals eine Prüfungsordnung vor, in der steht, wie ihre Promotion legitimiert ist? Gab es einen Promotionsprüfungsausschuss? Gab es Erst- und Zweitprüfer? Haben Sie eine mündliche Prüfung vor Wissenschaftlern über ihr gesamtes Fachgebiet gemacht? Kennen Sie Namen und Qualifikationen der beteiligten Personen?

Wenn diese Fragen mehrheitlich mit „Nein“ beantwortet werden: Würden Sie mir nicht zustimmen, dass jemand, der so promoviert, davon ausgehen muss, dass er sich mit seiner fünfstelligen Promotionsgebühr nur dieses kritikbefreite Verfahren zur Erlangung eines Doktortitels erkauft?

Abgesehen davon: Glauben Sie in Zeiten, in denen in Deutschland darauf hingewiesen wird, dass bei Vornamen wie „Kevin“ und türkischen Nachnamen unabhängig von der Person Schwierigkeiten in der Schule bzw. bei der Jobsuche zu erwarten sind, dass ein Doktortitel bei einer Wahl so wenig eine Rolle spielt, als sei er nie genannt worden?

Wenn Sie das glauben und spätestens im Oktober von ihrem falschen Doktortitel wussten, weswegen ließen Sie sich noch im Dezember im Bundestag „Dr.“ nennen, distanzierten sich also vom Führen dieses Titels erst dann vollständig, als die Einspruchsfrist gegen ihre Wahl lange verstrichen war?

Da Sie die Kreis-CDU sogar von ihrer „Integrität“ überzeugen konnten, also einer geistigen Disposition, die eine Person größte Verlockungen widerstehen lässt, sollte die Beantwortung meiner Fragen ein Klacks sein.

Weiterlesen

die zeitung, die nicht genannt werden darf

Ich habe einen interessanten Anruf von der Lokalzeitung meiner Heimatstadt erhalten, der ich diesen Blogartikel geschickt habe.

Lokalblatt: Hallo. Wir haben da noch ein, zwei Sachen zu ihrem Artikel.

Ich: Aha.

Lokalblatt: Sie beziehen sich da auch auf die Münstersche Zeitung. Wir würden das gerne rausnehmen.

Ich: ???

Lokalblatt: Die kriegen wir hier ja nicht. Das haben unsere Leser nicht gelesen.

Ich: Steht alles im Internet.

Lokalblatt: Ja, nee.  Also, wir haben das schon mal für Sie umgeschrieben, dass das alles rausfällt.

Ich: Dann möchte ich nicht, dass das veröffentlicht wird.

Lokalblatt: Okaaaaaaaaaaaay?!!

Lokalblatt: Ja, dann tschüß.

Ich: Tschüß.

Das, was da rausfällt, wozu man auch nur noch mein ‚Okay‘ haben wollte, müsste ungefähr der halbe Artikel sein und würde einen ganz anderen Eindruck beim Leser erwecken, da ich das Übriggebliebene schon geschrieben habe. Und das nur, weil dem Blatt der Begriff Münstersche Zeitung nicht passt. Nee, danke.

Weiterlesen

weitere ungereimtheiten bei dieter jasper

Heute hat es Dieter Jasper in die Bildzeitung geschafft. was aber auch nichts weiter heißen sollte.  Zu den noch im Raum stehenden Unklarheiten habe ich noch folgendes zu sagen:

Die Kreis-CDU hat letzten Dienstag noch auf eine „restlose Aufklärung“ von Dieter Jasper gehofft und ist am Wochenende derart aufgeklärt worden oder hat beide Augen ganz fest zugemacht. Denn die Erklärungen, die Dieter Jasper in der vergangenen Woche öffentlich abgegeben hat, sind ungefähr so falsch wie sein Doktortitel.

In der Montagsausgabe der IVZ und der Dienstagsausgabe der Münsterschen Zeitung stellt Jasper es so dar, als habe er zwar einen Doktortitel, dieser sei nur in Deutschland nicht anerkannt. Er meint, „dass der an der Freien Universität Teufen erlangte Doktorgrad aufgrund des ‚Deutsch-Schweizerischen Abkommens über die Gleichwertigkeit im Hochschulbereich‘ in Deutschland nicht anerkannt wird“. Das ist schlichtweg falsch: In Deutschland werden grundsätzlich ersponnene Titel von Briefkastenfirmen nicht anerkannt.

Dieses Abkommen kommt nur für staatlich anerkannte Hochschulleistungen in der Schweiz in Betracht. Die „Freie Universität Teufen“ ist eine reine Briefkastenfirma und als solche gar nicht berechtigt zu promovieren. Das heisst: Herr Jasper besitzt keine erworbene Hochschulleistung in der Schweiz. Herr Jasper erweckt bei den Lesern der IVZ und der Münsterschen Zeitung aber genau den gegenteiligen Eindruck: „Sein in der Schweiz erworbener Titel eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften sei in Deutschland nicht anerkannt“(MZ).

Der Münsterschen Zeitung sagt Jasper zudem, er habe diese „Uni“ deswegen ausgewählt, weil „die Kriterien in der Schweiz für einen Doktortitel nicht so streng sind“. Ich fand diesen Satz merkwürdig, gerade für jemanden, der Schwierigkeiten hat, eine Briefkastenfirma von einer Universität zu unterscheiden – bis ich gesehen habe, woher dieser Satz stammt: Mit solchen Aussagen wirbt die Universität Teufen für ihre Abschlüsse. Entweder leidet Herr Jasper unter dem Stockholm-Syndrom oder er hält nach wie vor windige Behauptungen dieser Briefkastenfirma für belastbar.

Vielleicht kann mir irgendjemand erklären, weswegen Herr Jasper noch letzte Woche den Eindruck erwecken wollte, er habe einen anerkannten akademischen Titel in der Schweiz. Bekommen von einer „Universität“, deren damalige Rektorin Margit Fülöp gerade einmal ausgebildete Industriekauffrau ist. Vielleicht kann mir auch jemand erklären, dass es ganz normal sei, wenn ein Bundestagspolitiker selbst durch Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltbüros eine schlichte Wahrheit nicht klar auf den Schirm bekommt. Ich finde das wirklich irritierend.

Weiterlesen

der christliche fundamentalismus der cdu

Die Debatte um die Minarette offenbart ja nicht nur die angeblichen Ängste, die die Deutschen vor einer übermäßigen Islamisierung haben, sie offenbart auch die fundamentalisitschen Haltungen, die es in der CDU noch gibt. So wird von der Berliner Morgenpost Wolfgang Bosbach wie folgt zitiert:

Was ich meinte, war: es müssen beide Seiten zu Wort kommen: einerseits die Religionsfreiheit, andererseits die Tatsache, dass sich religiöse Äußerungen hier bei uns in den Kontext des christlich-abendländischen Kulturkreises einfügen müssen.

Die Tatsache des Zwangs nicht-christlicher Religionen, sich in den Kontext des christlich-abendländischen Kulturkreis einzuordnen? Was soll denn daran eine Tatsache sein?

Nein, so nicht. Jede Religion muss sich dafür kritisieren lassen, wenn sie unberechtigte Forderungen und Drangsalierungen an ihre Mitglieder oder andere erhebt. Egal ob christlich oder nicht.

Nun könnte man meinen, dass Bosbach nicht einen fundamental christlichen Kulturkreis bemeint hat, sondern nur einen hier und da christlich geprägten Kulturkreis. In diesen fügen sich allerdings die schwulen- und frauenfeindlichen Haltungen der katholischen Kirche auch nicht ein. Ganz einfach, weil es unberechtigte, drangsalierende Haltungen sind. Davon gibt es im gelebten Islam sicherlich auch noch eine ganze Menge. Das ist aber im Einzelfall anzuschauen und nicht pauschal im vorhinein.

Weiterlesen

cdu gibt zu, kinderpornografie instrumentalisiert zu haben

„Die gesamte kulturelle Mentalität bei uns, repräsentiert durch Bush oder durch Jung oder durch Schäuble, ist eingestellt auf eine gespaltene Welt. Und wenn man sich den ersten Kreuzzug mal anschaut, dann war das schon damals ganz genauso.“

Horst Eberhard Richter im Interview mit der taz

Ich habe schon mal geschrieben, dass ich nicht denke, dass die CDU-Leute selber den ganzen Blödsinn glauben, den sie rund um das Internetsperrengesetz so faseln. Und jetzt gerade denkt Wolfgang Schäuble, ist es passend, auch mal öffentlich einzuräumen, dass man natürlich selber nicht all den Blödsinn glaube, den man da während des Wahlkampfes vom Stapel gelassen hat.

Das macht Schäuble natürlich nicht ganz so direkt und nicht genau auf irgendwelche Aussagen bezogen, sondern nur mit Blick auf die eigene Glaubwürdigkeitsrettung:

Der Minister gab handwerkliche Fehler beim sogenannten Zugangserschwerungsgesetz für Stoppschilder im Internet zu. Das Gesetz zum Schutz vor Kinderpornografie sei im Endspurt des Wahlkampfes auch deshalb entstanden, um die CDU gegenüber anderen Parteien abzusetzen.

„Handwerkliche Fehler“ nennt man das heutzutage in der Politik. Was für eine Perversion.

Wissen Sie, wenn ich einen Tisch kaufe und da sind nur drei Tischbeine dran, dann glaube ich an einen handwerklichen Fehler. Aber wenn erfahrene Politiker ein sensibles Thema aufgreifen, im vollen Bewusstsein, dass sie damit die Opfer von Kindesmisshandlungen instrumentalisieren, ohne dass diese davon auch nur irgendwie profitieren, und nur um das Profil der eigenen Partei zu schärfen, dann ist das nur eines: Berufszynismus.

Die CDU ist die Partei der Doppelmoral. Was das C unter den drei Buchstaben noch verloren hat – ich habe keine Ahnung.

Weiterlesen

guten Tag, herr jasper

Manchmal kann das Internet für den Alltag auch erfrischend einfach einbezogen werden. Gerade bei den neuen Bundestagsabgeordneten ist das inzwischen leicht verknüpfbar. Für einen ehrenamtlichen Verein meiner Heimatstadt habe ich ein Blog installiert, dass langsam aber stetig in die Puschen kommt. Es beinhaltet Tagesaktuelles und andere Informative Sachen, sofern sie zumindest relativ interessant sind für Jugendliche aus der Region.

Den Wahlausgang für denjenigen, der aus dieser Ecke in den Bundestag kommt habe ich auch mal verbloggt. Inzwischen ist der Artikel erweitert worden um die inhaltlichen Positionen des Gewinners und den Link zu seiner Abgeordnetenwatch-Seite. und schwuppidwupp hat man die Vorstufe eines Watchblogs, ohne von vornherein negativ eingestellt zu sein.

Aber schon beim ersten Überfliegen sind die Ansichten des Herrn Jasper ungewöhnlich: Da will er auf der einen Seite z.B. Atomkraftwerke schnellstmöglich abstellen, wie es auf seiner eigenen Internetseite nach zu lesen ist, gibt aber auf abgeordnetenwatch.de die Antwort, er wäre für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.

Nun kann man anführen, dass in den Texten doch so viele Konjunktive verwendet werden, dass die beiden Verlautbarungen inhaltlich sich nicht ausschlössen. Die Frage eines Lesers bleibt aber, weswegen nicht zwei gleichlautende Antworten gegeben worden sind.

Sowas und anderes wird man also künftig leicht direkt auch über die Plattform eines regionalen Projektes nachfragen können. Ich bin mal gespannt, was daraus wird.

Weiterlesen

wenn linke systeme untergehen

Der derzeitige Untergang der SPD als Großpartei erinnert mich schon etwas an den Untergang der DDR in seinen letzten Zügen. Da finden sich in den übrig gebliebenen Organisationsformen noch Leute, die das Schiff noch nicht verlassen haben, die aber auch nicht bemerkt haben, dass der Zug schon lange abgefahren ist, dass das Volk von Ihnen gerade nichts erwartet, dass die Musik woanders gespielt wird.

Das Prinzip “Bauer sucht Frau”

Die SPD hat den Unfall, den sie erlitten hat, nicht wahrgenommen, und wer zu den Leuten gehört, die ihn nicht wahr genommen haben, der soll jetzt die Reperatur veranlassen? Der Schaden ist noch nicht einmal identifiziert, nicht personifiziert. Aber schon sind die ersten linken Opportunisten da, die genau wissen, in welche Richtung die Segel der Partei gepustet werden müssen.

Dabei hat die SPD ja nicht nur extern Leute vergrault, sondern auch intern. Es hat sich eine soziale Klitsche gebildet, die intern nach den eigenen Gesetzen funktioniert. Die aber gar nicht auf dem Schirm hat, welcher Wind ausserhalb weht. Und es ist nun einmal heute so, dass wer das nicht mitbekommt, nach außen kaum vermittelbar ist. Das ist der Spannungsbogen von Bauer sucht Frau.

Ein Dampfschiff ohne Maschine

Diejenigen, die von Nöten wären, das Schiff wieder auf den alten sozialdemokratischen Kurs zu bringen, wurden wegen dieser sozialen Klitsche fern gehalten oder durch sie vergrault. Genau diese Leute sind nun eben nicht in der Partei, damit die SPD wieder auf breiter Basis Akzeptanz finden kann.

Es bedarf einer intellektuellen Glanzleistung, um ein strategisches Werk, egal ob in Wort oder Schrift, einzubringen, das Orientierungspunkt für die derzeitigen SPDler werden kann und das werbend diejenigen für die SPD wieder begeistern kann, die die SPD auf ihrem Weg in den letzten 15 Jahren ganz verloren hat.

Die Chancen für so einen Fixpunkt sind aber mehr als gering. Die Intellektuellen hat man schon vergrault, ein paar Künstler bekennen sich noch zur SPD, aber von denen kennt der Durchschnittsbürger auch schon zwei Drittel nicht. Steinmeier verweist auf den geschichtsträchtigen Begriff der Sozialdemokratie, Deutschland brauche eine starke Sozialdemokratie, aber ihm entgeht, dass die Wenigsten heute noch die Begriffe Sozialdemokratie und SPD für deckungsgleich halten.

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Und jetzt kittet man eben mehr schlecht als recht, was kittbar erscheint.  Das Neubesetzen von Positionen, das Hochpurzeln in der SPD-Hierarchie und der kommende Richtungsstreit übertünchen das nötige Selbstbekenntnis der Partei als einer 20%-Partei. Ein Blick zu den sozialdemokratischen 20%-Kollegen in den Niederlanden könnte heilsam sein.

Hoffnung setzen einige in ein Rot-Rot-Grün-Bündnis in NRW, das eine Blaupause für künftige Koalitionen werden soll. Aber in NRW herrscht noch Schwarz-Gelb, von Wechselstimmung kann keine Rede sein, und das Schreckgespenst, dass Sahra Wagenknecht in NRW zur Ministerin erkoren wird, sollte man nicht unterschätzen.

Den Sozen sollte daher eines klar sein: Die Talsohle ist noch nicht verlassen und vielleicht noch nicht einmal erreicht.
____________________________

Lesetipp:  Süddeutsche Zeitung – Wie man einen Mann versenkt

Weiterlesen

das ende der großparteien

Mit dem 27. September 2009 endete in Deutschland die Geschichte der Großparteien. Wären die Nichtwähler eine Partei, sie hätten 5% mehr als die SPD und läge mit der CDU gleichauf oder vor ihr.

Die Wahl gewonnen haben CDU/CSU und FDP, die zusammen gerade einmal ein Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland für sich gewinnen konnten. Ob selbst dieses Drittel für Inhalte gewonnen wurde, ist höchst fraglich, schliesslich will eine Mehrheit in Deutschland den Mindestlohn und genau den wollen CDU/CSU und FDP nicht.

Der SPD ist so deutlich wie nie zuvor gezeigt worden, dass sie auf Bundesebene weder Volks- noch Großpartei ist. Immer wieder wurde in den letzten Wochen darauf verwiesen, dass Deutschland eine starke Sozialdemokratie brauche. Nur geht das eben auch ohne die SPD, was widerum ein Gedanke ist, den die Genossen erst noch verinnerlichen müssen. Und je länger das dauert, desto länger die Genesung. Sonderlich hoffnungsvoll kann man nicht sein, wenn Steinmeier gleich am Wahlabend die alte Leier anstimmt, die SPD habe eine historische Aufgabe. Mit Geschichtsfuselei werden aktuelle Probleme nicht behoben, kommende Wahlen nicht gewonnen.

Die CSU fällt und fällt und holt in Bayern nur noch 41%. Die lange Zeit drittstärkste Partei kommt mit 6,5% derzeit nur noch auf den 6. Rang und darf sich künftig nicht wundern, wenn sie den Atem der Piratenpartei (2%) im Nacken spürt. Da erscheint es seltsam weltentrückt, wenn CSU-Barde Peter Ramsauer von Leihstimmen spricht, die die FDP von CDU/CSU ergattert habe. Das ist das Denken in alten Strukturen.

Die FDP, und das muss man ihr zugestehen, hat es immerhin verstanden, die aktuellen Probleme in ihre eigene Jargon einzubinden, so dass es einen weltanschaulichen Standpunkt ergab, den Westerwelle sehr gut ausfüllen konnte. Auch wenn der FDP genaue Inhalte abgehen wie eh und je. Es ist den Opportunisten aber nun einmal nicht anzulasten, wenn ihre Gegner sich nicht auf Wahlkampf verstehen.

Diese Wahl hat dem Hinterbänklertum den Kampf angesagt und das ist gut so. Gewonnen werden Wahlen künftig mit Inhalten, deren Darstellung man mächtig ist. Das ist auch gut. Die CDU hat vor wenigen Monaten den größten Online-Widerstand der Bundesrepublik heraufbeschworen und ich wähne, dass Ähnliches sich wiederholen könnte. Das Bedeutet aber nur, dass jüngere Menschen für politische Zwecke kämpfen. Und auch das ist gut so.

Weiterlesen

ex-spd-internetwahlkämpfer redet tacheles

Jemand, der ehemals in diesem Jahr in der SPD-Internet-Wahlkampfzentrale gearbeitet hat, hat sich wohl gerade jemand etwas Luft über den mislungenen SPD-Internet-Wahlkampf gemacht und ich finde das wirklich lesenswert, wenn der Text auch lang ist.

Mein Lieblingssatz ist ja: [Steinmeier] wirkt wie ein Mann, der ständig den Heiratsantrag verschiebt, weil er sich nicht sicher ist, ob er
wirklich verliebt ist.

Ein entzückendes Bild. Aber der anonyme Schreiber wird sachlich auch
etwas deutlicher:

Die SPD-Bürokratie ist auf dem besten Wege aus lauter Angst vor der
Demokratie, vor den bösen Medien, vor den uneinsichtigen Bürgern und sogar vor den lästigen Genossen die gesamte Partei in die Knie zu
zwingen. In Verbeugung vor dem Guru „Kontrolle“ und dem Guru „Politische Kommunikation“.

Nicht immer ist der Schreiber ganz klar in seiner Ausdrucksweise, aber
den Musikknochen trifft er schon ganz zielsicher.

Es wird, so scheint mir, der sozialen Gerechtigkeit nicht gerecht, als Markenkern herhalten zu müssen, als strategische Komponente,
Verpackungsbotschaft für ein Produkt. So werden Werte zu Werbung:
ent-wertet. Tickets to nowhere.
Treffer, versenkt.

Er beschwert sich, dass die Ach-so-Intelligenten in den höheren
SPD-Kreisen sich nie auf ein offenes Gespräch einlassen und dann
irgendwann trotzig werden.

Und weil sie glauben, dass Politik so funktionieren kann, sorgen sie
mit dafür, dass sie nur so funktioniert.

Man mag dem Schreiber ja vielleicht eine etwas gekränkte Eitelkeit
unterschieben wollen, weil seine Ideen nirgends aufblühen konnten, aber eine bessere Analyse des sicherlich unfruchtbaren Internet-Wahlkampfes auf Bundesebene kenne ich nicht.

Weiterlesen
1 2 3 5