hinter geschlossenen lidern

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Falkendom, Bielefeld, 15. November 2009, 19.30 Uhr, 70 Zuschauer

Seine Augen bewegten sich anstrengend schnell hinter geschlossenen Lidern, seine Hand, wäre da noch eine gewesen, hätte sich in meine gekrallt. Da liefen die letzten Tage und Stunden vor einem Rest seines Gehirnes, hätte er noch eines gehabt, ab, sagte der Arzt. Das sei so, vor dem Tod, sagte der Arzt.

Die Fotografin Kathi Ficek hat mal eine Ausstellung gemacht mit dem Titel „Hinter geschlossenen Lidern“. Sie beschäftigt sich darin mit einem Krankheitsbild aus der Psychoanalyse, das junge Menschen beschreibt, denen der Schritt ins Erwachsenenleben nicht gelingt. Sie verharren an der „Schwelle“ ihrer Kindheit, unfähig von ihr Abschied zu nehmen. Gefangen im Niemandsland. Gelähmt von der auseinanderklaffenden Schere zwischen Ichideal und Ichrealität werden sie zu Beobachtern des Lebens, anstatt daran teilzunehmen.

Die Theatergruppe Theatropolis hat frei nach Sibylle Berg ein Stück unter demselben Titel erarbeitet, in dem es zumindest auch um Erwachsene geht, die ähnlich beklemmende Zustände empfinden.

„Hinter geschlossenen Lidern“ handelt von desillusionierten Personen, die auf andere ebenso desillusionierte Personen treffen, sich ihrem Schicksal ergeben, sich aber selbst nicht aufgeben wollen. Sie klammern sich an andere, an Gegenstände oder ihre Jobs. Das wird in aneinandergereihten Einzelgeschichten dargestellt, die sich textlich manchmal überschneiden, die der Zuschauer aber selbst verbinden müsste, wenn er einen roten Faden sucht.

Ich finde ja solche düsteren Stücke durchaus reizvoll, aber auch schwierig, denn man muss von ihnen immer irgendwie loskommen. Noch schwieriger wird es, wenn das Stück selbst keinen positiven Ausblick bietet. Das ist so mein Problem bspw. bei Filmen wie Lichter, in dem aber ein Ausweg zumindest bildlich angeboten wird. In „Hinter geschlossenen Lidern“ empfand ich das nicht so. Aber andere sehen sowas offenbar anders. Als eine Schauspielerin auf der Bühne über ihre neue Bezehung, die sie mit obigem Zitat verliert, meint „Ich war nicht verliebt, aber ich hatte mich an ihn gewöhnt“, da kicherte ein kauziges Seniorenpärchen vor mir. Ich fand den Satz überhaupt nicht witzig, aber ich würde gerne wissen, ob ich das in ein paar Jahrzehnten witzig finden werde.

Die Laienschauspieler (diesen Begriff verwende ich jetzt aber nur deswegen, weil es keine Berufsschauspieler sind) sind mit dem schwierigen Stück gut zurecht gekommen. Die Szenen waren klar und verständlich, die Problematiken bedrückend. Mir ist nur ein kleiner Patzer aufgefallen, der nicht weiter störend war, dafür war das Stück zu düster. Manchmal wurde etwas leise gesprochen, was mit der angelassene Kühlanlage im Falkendom das Zuhören etwas erschwerte. Was mich persönlich immer etwas stört ist, wenn Sätze, die für einen Willen, etwas besonderes mit ihnen auszudrücken, stehen, nur so ausgesprochen werden, als sei der Sprecher glücklich, den Satz fehlerfrei rausbekommen zu haben. Das passiert aber auch in wesentlich aufwendigeren Produktionen und ist hier nur eine Randmakulatur. Aber Sprechpausen und das rhetorische Nachhallen lassen von Aussagen gibt bestimmten Darstellungen eben einen besonderen Kick.

Das ist bei der Darstellung des alkoholabhängigen und in die Jahre gekommenen Feuilletonjournalisten besonders gut gelungen, wie ich finde. Gerade in dieser Ecke Westfalens ist so eine Figur nun wirklich nicht unbekannt.

„Hinter geschlossenen Lidern“ ist kein Stück für jeden, aber für alle, die sich düsteren Stücken stellen wollen.

Nächste Aufführung: Falkendom Bielefeld, 29.11., 19 Uhr (Einlass 18:30)

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