man müsste was unternehmen

Immer wenn ich nach Bielefeld fahre, bleiben mir etwa 20 Minuten am Bahnhof, bevor es für mich weitergeht. Und als ob Bielefeld bei nassem, düsterem Wetter nicht schon ernüchternd genug wäre, ist am Hauptbahnhof ziemlich wenig los. Wenn es kalt ist, zieht es mich entweder in die Thalia-Buchhandlung dort oder in den McDonald’s. Beides keine Wahl par excellence, aber da drin ist es halt warm.

Heute nun stiefelte ich wieder die Bahnhofstreppe hoch, durfte mich von der Anzeigetafel am Eingang davon informieren lassen, dass meine Anschlußstadtbahn geraaade weggefahren ist und schlug schlurfend den Weg zu McDonald’s ein. Und wie ich so schlurfte überholte mich links eilig ein etwa 10cm größerer Mann im dunklen Mantel, wehenden Schals das amerikanische Billigessenparadies erobern wollend. Er erreichte gut 20 Meter vor mir die Eingangstüren des Burgervertickers, drückte sich – den Schwung mitnehmend – aufbäumend gegen die eisernen Türschlaufen und hoppste abgewiesen wieder zu Boden. Er drückte ungläubig nochmal, aber die Tür gab wieder nicht nach. Er stellte seinen Aktenkoffer ab und schob seinen Stoffhut mit Ripsband etwas nach oben. Er drückte – nichts. Ungläubig schaute er zu den grobmotorischen Tablettträgern im Innern des Restaurants, dann wieder auf die Tür, drückte die linke Tür ebenso erfolglos, versetzte dann dem Türgriff einen Schlag mit der Hand und brüllte lauthals: „So eine Scheiße!“

In die abrupte aufgekommene Stille rund um den Eingang war jetzt die Frage getreten, ob man eine schnelle Kehrtwende vollzieht und einfach den anderen Eingang an der Straße nimmt oder ob man der Dinge harrt, die da kommen werden. Aber bevor ich mir überhaupt eine Meinung bilden konnte, hatte sich der Türschubser auch schon umgedreht und schaute mich wutschnaubend an: „Alles läuft hier falsch! Es ist zum Kotzen! Nichts funktioniert in Deutschland! Es ist alles kaputt! Und dann kommt die Merkel und wirft Geld aus dem Fenster! Jaaa, daaaaafür hamse Geld. Aber unsereins muss sehen, wo er bleibt. Aber es sagt ja niemand was. Sie sagen ja auch nichts.“

Ich nickte im Geiste.

„Und die, die es könnten, die machen nichts. Und dann die Linken! Es ist doch alles lächerlich. Lächerlich ist das! Man darf gar nicht drüber nachdenken. Man regt sich nur auf! Das könnte denen so passen, ja das könnte denen so passen. Aber nicht mit mir. Nicht mit mir! Da muss man doch was unternehmen! Eine ganz große Scheiße ist da am Laufen!“

Ich harrte ihn an.

„Achhrrr“ sagte der Wutmensch, zog seinen Hut etwas mehr ins Gesicht, warf mir eine wegwischende Handbewegung zu, schnappte sich seinen Aktenkoffer und schritt von dannen. Und damit ermöglichte er mir die freie Sicht auf die zwei kleinen Schilder, die an beiden Türen mittig angebracht waren: „Ziehen.“

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