flieger-martin

Heute ist Welt-Down-Syndrom-Tag, welcher mich an meine Zivi-Zeit erinnert. Damals hatte ich die unterschiedlichsten Aufgaben. Eine davon war, morgens Rollis und andere Behinderte zu deren Arbeitsstätte zu fahren. Auf einer dieser Touren war Flieger-Martin mit dabei.

Flieger-Martin heißt Flieger-Martin, weil er jeden Tag einen Flieger, einen Papierflieger bastelt. Er nennt das „Flieger baun“. Ein Tag kann nur dann ein guter Tag für Martin sein, wenn er einen Flieger gebaut hat. Und solange er noch keinen Fleiger gebaut hat, ist das eben auch noch kein zufriedenstellender Tag. Dann ist er nicht gut gelaunt.

Martin redet gerne davon: Dass er Flieger gebaut hat, dass er noch einen Flieger bauen muss, wie schön es ist, Flieger zu bauen. Sie müssen ihm nur ein paar Minuten zu hören, und sie bekommen Lust, auf die Schnelle auch so einen Flieger zusammen zu falten. „Flieger baun!“ sagt er mehrmals am Tag, „Martin geht jetzt Flieger baun! Fff-, Fff-, Flieger baun!“.

Von so einem Menschen ist man natürlich zunächst irritiert, manchmal nervt es einen auch, aber irgendwann dann nimmt man es sportlich. Und dann nervt es auch gar nicht mehr.

Also fragte  ich Martin eines Morgens:
„Du, sag‘ mal, Martin, glaubst du eigentlich an Gott?“
– „Jahaa!“
– „Und wo wohnt der?“
– „Im Himmel!“
–  „Und was macht der so den ganzen lieben, langen Tag?“
– „Fff-, Fff-, Fff-, Flieger baun!“

Ich persönlich habe keinen sonderlich tiefen Glauben an so einen personifizierbaren Gott verinnerlicht. Aber andererseits: Wenn ich an so einen Gott glaubte, ja, doch, der würde Flieger bauen, da bin ich mir sehr sicher.

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der grönemeyer der deutschen philosophie

Peter Sloterdijk hat der FAZ wieder ein Interview gegeben und das gibt mir den Anlass mal kurz über Peter Sloterdijk zu reflektieren. Denn Peter Sloterdijk ist durchaus ein Phänomen. Und das meine ich in der alltäglichen Redeweise, dass er dem reinen Wortlaut nach eine Erscheinung ist, weiss man ohne hinzugucken. Peter Sloterdijk gehört sicherlich zu den bekanntesten Philosophen Deutschlands und mit der „Kritik der zynischen Vernunft“ hat er eines oder gar das meistverkaufteste Buch eines zeitgenössischen Philosophen deutscher Zunge geschrieben.

Dem gegenüber steht, dass Sloterdijk an deutschen Universitäten auf dem Lehrplan eigentlich nicht vorkommt, man liest ihn nicht, er lehrt weder an einer sonderlich bekannten Universität, er residiert nicht an einer philosophischen Abteilung, die wenigstens fachintern bekannt wäre, noch gäb es irgendwelche Fachartikel von Sloterdijk die im Fach einschlägig bekannt sind. Kurzum: Sloterdijk ist fachintern bedeutungslos, er ist ein Philosoph des Feuilletons und des Literaturbetriebs.

Dies ist kein Ausweis darüber, dass Sloterdijk ein schlechter Philosoph ist. Gott bewahre. Viele gute Philosophen sind selbst fachintern unbekannt. Interessant ist, dass Sloterdijk fachextern so bekannt ist. Dass oftmals, wenn eine philosophische Meinung gefragt ist, er gerufen wird. Obwohl er fachintern so ignoriert wird, sein Buch zwar gut verkauft worden ist, den genauen Inhalt aber kaum jemand kennt.

Das hängt ein wenig auch mit dem Philosophiestil Sloterdijks zusammen. Zwar fasst er durchaus nicht unkomplexe Gedanken zusammen und bekommt diese auch so gut auf den Schirm, dass er Zuhörern eine interessante Darlegung eines Sachverhaltes gibt. Allerdings verwendet Sloterdijk dabei soviele unerklärte Metaphern, dass der Zuhörer einfach kaufen muss, nicht alle Worte genau zu verstehen. Das ist derselbe Vorwurf, den Grönemeyer-Ablehner Grönemeyer-Hörern machen: Was bringt dir das, etwas anzuhören, dass du weder wörtlich noch inhaltlich genau verstehst? Na, es hört sich halt schön an.

Das ist aber ein ästhetisches Argument, des Philosophen Aufgabe ist es aber nicht, über Ästhetik Auskunft zu geben. Er soll als Philosoph nicht sagen, dies oder das ist schön. Das kann er als Privatperson sagen. Er soll sagen, welche Begründung an welcher Stelle angebracht ist und ob sie überzeugt. Und dafür sollte er klar herausstellen, in welcher inhaltlichen Bedeutung er welche Begriffe verwendet. Letzteres macht Sloterdijk beispielsweise viel zu selten.

Der haut lieber Sätze raus wie „Intelligenz existiert in positiver Korrelation mit dem Willen zur Selbstbewahrung. Seit Adorno wissen wir, dass diese Korrelation in Frage gestellt werden kann – das war die suggestivste Idee der älteren Kritischen Theorie.“ Den ersten Satz kann ich auch sehr gut ohne Adorno in Frage stellen, allein deswegen schon, weil er kaum verständlich ist. Aber so bauscht man die Bedeutung der eigene Schule noch mal auf, bevor sie vollends vergessen wird.

Für’s Feuilleton reicht das allerdings: Da ist eh‘ kein Platz für Erörterungen. Da darf sich ein Philosoph als Lebensratgeber hinstellen und niemand fragt, was gerade ihn dazu eigentlich berechtigt. Als reinen Philosophen berechtigt ihn nämlich nichts. Verdammen Sie mir nur den Sloterdijk nicht: Er kann für Einzelne so gewinnbringend sein wie Grönemeyer als Musiker.

Soll man denn nun Sloterdijk lesen, wenn der Autor dieses Artikels so wenig Gutes an ihm lässt? Ja, natürlich. Lesen Sie Sloterdijk. Fangen Sie an mit der „Kritik der zynischen Vernunft“. Machen Sie sich ein eigenes Bild. Zwar bin ich permanent über die Voreingenommenheiten, die Sloterdijk seinen Lesern und Zuhörern unterjubelt, genervt, dennoch regt Sloterdijk zum Denken an. Und in dieser Hinsicht ist Sloterdijk sicherlich besser als manch andere Philosophen, die sich tagesaktuellen Problemen nicht stellen.

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provinzbloggen

Heute habe ich mal meiner kleinen Heimatstadt zu ihrem ersten kleinen, schnuckeligen Blog verholfen. Irgendwie ist es ja doch immer putzig, auf so was kleinprovinzielles zu stoßen, ohne diesen Projekten jetzt mal im mindesten den Anspruch abzutreten. Bin mal gespannt, was daraus wird: www.ibblog.de

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pet shop boys – one in a million

Das neue Pet Shop Boys Album Yes hat mich jetzt noch nicht ganz so umgehauen wie viele aktuelle Rezensenten, vielleicht höre ich mir das nochmal laut an. Im Zuge dessen habe ich aber alte PSB-Platten rausgekramt und bin bei diesem schmucken kleinen Stück vom Album „Very“ hängen geblieben. Das beste Album ist es für mich nicht. Der Song aber ist einfach, ohrwurmend und nach einer gewissen Zeit halt gut:

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freitagslesen

Jetzt habe ich mir doch mal den „Freitag“ geholt, die Wochenzeitung, bei der ich mir neulich ein Blog installiert habe. Beim „Freitag“ wurde ja stark versucht, eine Community aufzubauen. Und bei solchen Projekten ist ja immer die Frage: Wenn das Internet als solches schon eine Community ist, wozu dann noch eine?

Über die Printausgabe gibt es positive Dinge zu sagen, wie auch negative. Das Blatt ist ziemlich werbefrei, kostet dafür 2,90€. Damit ist es quasi doppelt so teuer wie meine einstige Lieblingszeitung „Die Woche“, die letzten Endes eingestellt werden musste. Beide Blätter gleichen sich in der Hinsicht, dass sie nicht eine so klassische Aufmachung bieten wie Süddeutsche oder FAZ.

Dafür sind die Texte fast patchworkartig angelegt, ein Zusammenhang ist schwer herzustellen. Oftmals ist der Grund, weswegen da ein Artikel geschrieben wurde, mir auch schleierhaft. Ganz nett finde ich grundsätzlich die Idee, Autorenbeiträge neben die von Bloggern aus der Community zu stellen. Dazu kommen dann Artilkel vom Perlentaucher und von The Guardian. Naja, die kann ich auch noch selber lesen, dazu brauche ich kein Printprodukt. Aber immerhin: Ein schöner Mut zum Anders-Sein.

Begeistert bin ich allerdings nicht von „Der Freitag“. Ich habe dort keinen guten Autor gelesen. Vieles dreht sich um Berlin, entweder thematisch oder durch den Autor, so dass das Blatt teils in die typische Berlin-Spirale gerät: Thematisch intressiert das nur  Berlinaffine bzw. berlinintern und berlinextern interessiert es niemanden. Ich frage mich, wie angedeutet, auch zu oft, was der einzelne Autor mir sagen möchte und oft endet ein Artikel, bevor ich die Frage beantworten könnte.

Aber laut Titel ist das blatt ja auch nur ein „Meinungsmedium“, da muss niemand erklären, beweisen, erläutern, sich stellen. Da pustet man nur seine Meinung raus. Mir scheint dies als tragender Gedanke einer Wochenzeitung zu mager zu sein. So wie Leipzig seine Ostalgie hat halt Berlin seine gefühlte Linksintellektualität. Und vielleicht erklärt mir mal jemand, ob das nicht einfach nur Relikte sind.

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