wen immer es angeht

Heute bin ich erneut joggen gewesen. Ich habe mir von einem Freund eine 12-km-Strecke empfehlen lassen. Und diese Strecke hat mich seit dem Sommer in der Tat so oft joggen lassen, dass ich 10 KG abgenommen habe. Von diesem Erfolg beflügelt, nehme ich mir diese Strecke gerne am Wochenende in Angriff.
Heute ebenso, schließlich war strahlender Sonnenschein. Und diese Joggingstrecken sind einerseits durchaus beflügelnd, weil sie enorm die Durchblutung anregen, man also körperliche Fitness erlangt. Andererseits kann man sich anderthalb Stunden in der Sonne aufhalten, wie heute, was nicht zu unterschätzen ist. Ein leichter Entschluss heute, sich zu bewegen, auch für Bewegungsmuffel wie mich.
Nach etwa 20 Minuten des Rumrennens kommt mir heute allerdings eine ältere Dame in ihren 70ern entgegen. Nach dem ich gerade an ihr vorbeigelaufen bin, sagt sie: „Sagen Sie…“. Ich halte an und drehe mich um. „Ist das eigentlich gesund, was Sie da machen?“ Wir reden kurz darüber, dass ich auch der Meinung bin, dass das Rumgerenne auf Asphalt nicht so absolut gut für Kniegelenke und Hüfte ist. Ihre Schwägerin würde auch joggen, Sie selbst hingegen eher nordic walken.
Danach kommt Sie aber erst auf den Grund zu sprechen, weswegen Sie gerade hier spatziert, und worüber Sie eigentlich gerade reden möchte. Ihr Problem ist ihr Mann. Besser gesagt, das Problem ist sein Gesundheitszustand und Sie nutzt Spatziergang an dem Bach, an dem ich ebenso zur Entspannung entlang laufe, um runter zu kommen. Ihr Mann hat gerade einen Schlaganfall hinter sich und die Ärzte wollen ihr morgen mitteilen, ob er noch nach Hause soll oder nicht. Daneben, als ob das nicht schlimm genug sei, hat er auch noch Alzheimer. Wenn Sie einkaufen geht, darf Sie ihrem Mann dieses 5x in immer gleichen Worten erklären, ohne die Gewissheit zu haben, dass diese Info jemals ankommt.
Ich bin durchaus beeindruckt gewesen, wie sachlich präzise Sie mir das darlegt, auch wenn ich nur ein Wildfremder beim Joggen bin. Ihre Sorge ist derzeit, wie Sie eine eventuelle Pflege ihres Mannes bezahlen soll. Das würde 230 € im Monat kosten, soviel habe Sie nicht, und Sie würde sich schon hauptsächlich um ihren Mann kümmern. Sie habe zwar 4 Kinder, aber, das würde Sie schon verstehen, „die haben ja schon ihre eigenen Familien“. Solange Sie ihr eigenes Haus habe, würde man annehmen, dass Sie das verkaufe. „Da spart man sein Leben lang auf das Haus, und dann nehmen Sie einem das Haus am Ende des Lebens weg“, sagte Sie.
„Aber“, sagte Sie schließlich, „jetzt erzähle ich Ihnen etwas, das Sie gar nicht interessiert, und halte Sie nur vom Laufen ab.“
„Ach, nein“, wehre ich ab, „sowas geht uns doch alle an.“
„Ja“, sagte sie, hob ihren Blick vom Asphalt und schaute mir aufgeweckt in die Augen, „ja, eigentlich haben Sie da recht. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Weihnachtsfest.“
„Ihnen auch!“

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