faz-isches bloggerbashen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist leider an diesem Wochenende nicht so unterhaltsam wie am vergangenen. Da fällt ein sogenanntes Blogger-Bashen ins Auge. Richard Wagner, und das wird wohl der zeitgenösische Schriftsteller sein, basht darin Blogger.
Zunächst einmal, ich mag das Wort “bashen” nicht, aber es ist hier wohl angebracht. Für jede Idee, die eine verständliche Variante in der deutschen Sprache hat, würde diese verwenden und nicht einen Anglizismus. Der kleine Artikel in der Rubrik “Meinung” verdient aber den mir nicht genehmen Ausdruck “bashen”, denn er ist sehr oberflächlich, sehr simpel gehalten.

Blogger, so Wagner, sind nichts mehr als arbeitslose Möchtegernjournalisten, ihre Produkt sei nur Gelaber und es sei die Zeitung als Medium, über das sich ein Volk alleine verständigen sollte. Das finde ich so falsch, und schlimmer, so antiquiert, dass ich es nicht einzeln auseinander nehme. Natürlich treffen diese Vorwürfe sicherlich im Einzelfall zu, es zu verallgemeinern hat aber nur den Wert einer Aussage der Form “alle Politiker sind korrupt”.

Gegen wen möchte Wagner da eigentlich genau anschreiben? Mit seinen über 50 Jahren denke ich mal nicht, dass er sich während seines Tages mit dem Lesen von Blogs aufhält. Ich habe einen Blog lediglich aufgesetzt, weil mich die Technik interessiert und ich stimme Caschy zu, dass diese Technik die herkömmlichen Techniken für Webseiten stark abzulösen scheint.

Hätte ich ihn morgen nicht mehr, würde ich mich mit anderen Dingen beschäftigen. Ich mag meinen Blog auch deswegen, weil ich meine Art zu schreiben der Kritik aussetzen kann.  Ich selbst würde meine Blogsachen gar nicht in einer Tageszeitung gedruckt haben wollen, ohne zu behaupten, es sei nur Gelaber. Mein Name steht hier für alle sichtlich, das allein hält schon zu einiger Vorsicht an. Würde ich diesen Text nicht in einen Blog, sondern als Leserbrief verfassen, müsste ich ja noch hoffen, dass er veröffentlicht werde. Das will ich nicht. Ich möchte aber auch den Stempel “Blogger” nicht unbedingt abbekommen. Ich definiere mich nicht darüber. Ich nenne ja auch niemanden “Zeitunger”.

Und warum druckt die FAZ diesen unausgegorenen, polemischen Artikel? Und für wen? Vielleicht als Schulterklopfer für angestellte Journalisten, die sich von Bloggern bedroht sehen und abgrenzen wollen. Denen käme ein Bashen gerade recht.

Weiterlesen

tilman rammstedt – der kaiser von china

Tilman Rammstedt hat im Oktober endlich seinen seit dem Sommer angekündigten Roman „Der Kaiser von China“ veröffentlicht. Für dieses Buch erhielt er schon diverse Preise im voraus, u.a. den Ingeborg-Bachmann-Preis.
Und vielversprechend beginnt auch dieser kleine Schmöker. Die ersten 40 Seiten sind eine äußerst komische Beschreibung der Macken des Großvaters von Hauptfigur Keith. Es sind aber auch wohl nur die ersten 40 Seiten, die beim Bachmann-Preis vorgelesen wurden. Danach ändert sich der Roman etwas, ohne dass man von einem außerordentlich überraschendem Wechsel sprechen könnte. Keith bekommt von seinen Geschwistern Geld für eine Reise mit dem Großvater, welches er im Kasino mit dessen Geliebter auf den Putz haut. Dann stirbt der Großvater und Keith erfindet sich im eigenen Haus versteckend die Geschichte einer China-Reise mit dem Großvater.
Dieser zweite Teil ist nun verglichen mit dem Anfang kaum noch humorvoll, darauf aber auch nicht angelegt. Es ist eine durchaus detailliert geschriebene Erzählung ohne größeren Tiefsinn. Sollten die ersten 40 Seiten dem Leser irgendwas schmackhaft gemacht haben, außer dem Erzähltalent Rammstedts wird ihm nichts präsentiert.
Das ist nicht weiter schlimm, die 160 Seiten lesen sich flott, man hätte aber fast mehr erwartet. Mich hat die Lektüre an Hard-boiled wonderland oder das Ende der Welt von Haruki Murakami erinnert. Auch dort beginnt ein Roman mit einer sehr witzigen Alltagsbeschreibung und mündet in einer phantasievollen Geschichte, die aber nicht mehr witzig ist.

Weiterlesen

alice herz-sommer – ein garten eden inmitten der hölle

Deises Buch ist eine von Melissa Müller und Reinhard Piechocki erstellte Biographie der in wenigen Tagen 105 Jahre alt werdenden Alice Herz-Sommer.
An diesem Buch gibt es eigentlich gar nichts herumzumäkeln. Herz-Sommer präsentiert ein Leben, in dem sie durch die Hölle, d.h. in diesem Fall das Konzentrationslager Theresienstadt, gehen musste, und wie sie diese auf ganz erstaunliche Weise durch Optimismus und ihre Klavierkunst zu überstehen verstand. Müller und Piechocki erzählen dieses dramatische Leben mit leicht verständlichen Worten, so dass man fast ein leicht lesbares Buch in Händen zu haben scheint.

Mehr dazu:
Alice Herz-Sommer: Surviving the Holocaust.

Weiterlesen

reinhard ascheberg – die ent-subjektivierung des menschen

Eine ausführliche Kritik dieses Buches hat Georg Geismann schon besorgt. Dieser Einschätzung kann ich mich nur anschließen. Ascheberg liefert eine hervorragende Analyse des Gedankens der Subjektivität zur Zeit der Shoa aus der Perspektive eines Philosophen.  Sofern dies überhaupt möglich ist, wie er bereitwillig einräumt.
Ascheberg erläutert sehr eindringlich, inwiefern der Aufenthalt in einem Konzentrationslager auch ein schwerer Angriff auf die Subjektivität eines Menschen mit der Absicht diesen zu brechen gewesen ist.
Die Sprache Aschebergs ist durchaus anspruchsvoll, man sollte sich aber nicht unbedingt davon alleine schon abhalten lassen.

Weiterlesen

man müsste was unternehmen

Immer wenn ich nach Bielefeld fahre, bleiben mir etwa 20 Minuten am Bahnhof, bevor es für mich weitergeht. Und als ob Bielefeld bei nassem, düsterem Wetter nicht schon ernüchternd genug wäre, ist am Hauptbahnhof ziemlich wenig los. Wenn es kalt ist, zieht es mich entweder in die Thalia-Buchhandlung dort oder in den McDonald’s. Beides keine Wahl par excellence, aber da drin ist es halt warm.

Heute nun stiefelte ich wieder die Bahnhofstreppe hoch, durfte mich von der Anzeigetafel am Eingang davon informieren lassen, dass meine Anschlußstadtbahn geraaade weggefahren ist und schlug schlurfend den Weg zu McDonald’s ein. Und wie ich so schlurfte überholte mich links eilig ein etwa 10cm größerer Mann im dunklen Mantel, wehenden Schals das amerikanische Billigessenparadies erobern wollend. Er erreichte gut 20 Meter vor mir die Eingangstüren des Burgervertickers, drückte sich – den Schwung mitnehmend – aufbäumend gegen die eisernen Türschlaufen und hoppste abgewiesen wieder zu Boden. Er drückte ungläubig nochmal, aber die Tür gab wieder nicht nach. Er stellte seinen Aktenkoffer ab und schob seinen Stoffhut mit Ripsband etwas nach oben. Er drückte – nichts. Ungläubig schaute er zu den grobmotorischen Tablettträgern im Innern des Restaurants, dann wieder auf die Tür, drückte die linke Tür ebenso erfolglos, versetzte dann dem Türgriff einen Schlag mit der Hand und brüllte lauthals: „So eine Scheiße!“

In die abrupte aufgekommene Stille rund um den Eingang war jetzt die Frage getreten, ob man eine schnelle Kehrtwende vollzieht und einfach den anderen Eingang an der Straße nimmt oder ob man der Dinge harrt, die da kommen werden. Aber bevor ich mir überhaupt eine Meinung bilden konnte, hatte sich der Türschubser auch schon umgedreht und schaute mich wutschnaubend an: „Alles läuft hier falsch! Es ist zum Kotzen! Nichts funktioniert in Deutschland! Es ist alles kaputt! Und dann kommt die Merkel und wirft Geld aus dem Fenster! Jaaa, daaaaafür hamse Geld. Aber unsereins muss sehen, wo er bleibt. Aber es sagt ja niemand was. Sie sagen ja auch nichts.“

Ich nickte im Geiste.

„Und die, die es könnten, die machen nichts. Und dann die Linken! Es ist doch alles lächerlich. Lächerlich ist das! Man darf gar nicht drüber nachdenken. Man regt sich nur auf! Das könnte denen so passen, ja das könnte denen so passen. Aber nicht mit mir. Nicht mit mir! Da muss man doch was unternehmen! Eine ganz große Scheiße ist da am Laufen!“

Ich harrte ihn an.

„Achhrrr“ sagte der Wutmensch, zog seinen Hut etwas mehr ins Gesicht, warf mir eine wegwischende Handbewegung zu, schnappte sich seinen Aktenkoffer und schritt von dannen. Und damit ermöglichte er mir die freie Sicht auf die zwei kleinen Schilder, die an beiden Türen mittig angebracht waren: „Ziehen.“

Weiterlesen

heiraten auf amerikanisch

In Kalifornien ist die Diskussion wieder brandaktuell, wie mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften umzugehen sei. Die Ablehner der Heirat von gleichgeschlechtlichen Partnern haben auf einer Internetseite dargelegt, wie sie ihre Position charakterisieren.

Mein Freund Dan sieht sich immer wieder mit derart sturen Positionen konfrontiert und fühlt sich als Amerikaner herausgefordert, sich mit ihnen zu befassen. In seinem ersten Blogeintrag setzt er sich ausführlich und faktenreich mit der Proposition 8 auseinander.

Weiterlesen