paul torday – the irresistible inheritance of wilberforce

Also, dies ist ein gutes Buch, kein angenehmes, ein eher bedrückendes, schweres Buch. Wer es lesen möchte, sollte sich um des besseren Eigenleseeindrucks vielleicht nicht weiterlesen. In der deutschen Übersetzung heißt das Buch „Bordeaux“.

Geschrieben ist die Geschichte so schlicht, wie ihr Held gestrickt ist: Es gibt keine Überraschungen, keine Ironie, keine doppelten Böden, also nichts von dem, was „Lachsfischen im Jemen“ auszeichnete.

Man kann diesen Roman ganz leicht missverstehen, wenn man wie Felicitas von Lovenberg annimmt, es sei so etwas wie sein Vorgänger: Lustige Popkulturunterhaltung. Das ist es gerade nicht.

Aber Namedropping allein macht noch keinen Weinkenner und Tragik noch keinen Romanhelden.

Der Held des Buches, Francis Wilberforce, ist ja auch kein sonderlich guter Weinkenner, das ist ja gerade der Witz. Der Held ist ein verkannter, opportunistischer Soziopath, der sich zu Grunde säuft. Und die Personen in seinem Umfeld ahnen das bis auf den Ex-Freund seiner Frau nicht:

I don’t know why I asked him. I know nothing about him than when I first met him. He seems to have wandered into our lives from nowhere. He’s Mr Nobody.

Sein Mitunternehmensinhaber Alex bringt etwa in der Mitte das Problem mit dem meist nicht mit Vornamen betitelten Wilberforce zur Sprache:

You know, when they put you together, Wilberforce, they left something out. I don’t know what it is, but something’s missing in you. You’re not normal. I should have seen it before.

Aber was fehlt? Das muss sich der Leser zusammenpuzzeln, will er nicht oberflächlich enttäuscht durch die Lektüre werden wie Frau Lovenberg.

Angelegt ist das Buch in Rückblicken auf das Leben von Wilberforce, sofern es seinen Niedergang erklärbar macht. Was fehlt Wilberforce fehlt ist Mitgefühl mit anderen, das Sich-hinein-versetzen-können in andere. So kann er keinen Unterschied erkennen zwischen Freundschaft und oberflächlicher Bekanntschaft. Er entwickelt keine tieferen Gefühle, auch nicht zu seiner Frau. Als er deren Ex-Freund über sich reden hört, begreift er seine oberflächliche Wirkung als Chance, sich anderen gegenüber als verstellt, als Rolle zu präsentieren. So wird er mal hier mal dorthin getrieben und erliegt irgendwann dem Alkohol, den er als von anderen unerkannte Wissenschaft begreift. Ein deutscher Weinkenner weist ihn auf die Gefahr der vermeindlichen Weinkennerei hin:

Be careful. It is good to like wine; it is acceptable to love it, as I do; but what Francis feels for wine is beyond love. You must be careful to stop at liking. Even loving is a little dangerous.

Aber das Ziehen einer Grenze findet bei Wilberforce gar nicht statt. Und das endet für jemand anders tödlich.

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