es wärmt mir schon ein wenig das herz,

wie ich dem Rentner verständnisvoll zugelächelt habe, als er an der Supermarktskasse umständlich in aller Seelenruhe sein Portmonnaie herauskramte, seinen Einkauf in Höhe von 6,78€ mit einem 20er bezahlte und beim Aushändigen des Wechselgeldes mich nach Zustimmung ersuchend ansprach: „Schon deprimierend, wie wenig man da immer zurückbekommt.“ Eigentlich wollte ich ja brüllen: „HÄNG DICH DOCH AUF, DU BEULE!“

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thomas harlan – veit

Vor vier Jahren entdeckte ich Thomas Harlan für mich. Schon merkwürdig, wer alles so am eigenen Radar vorbei geht. Wenn ich mich recht erinnere, war das auch nur beim Durchzappen von YouTube, den genauen Anlass kenne ich nicht mehr. Nun kam mir auf dieselbe beiläufige Weise sein letztes Buch unter die Augen: Veit. Vom Sterbebett aus diktierte der Sohn von Veit Harlan ein letztes Mal seinen Kampf gegen den Vater, von dem er auf dessen Sterbebett noch etwas Einsichtsvermögen wahrgenommen hat. Er rang auch zum Schluss noch mit dem an die Nationalsozialisten verkauften künstlerischen Erbe, mit dem Unvermögen des Vaters, sich der eigenen Schuld rechtzeitig zu stellen. Das mag man bedauerlich finden oder konsequent. Das Buch ist nicht ohne Tücken, aber gerade ob der Sprachgewalt Thomas Harlans beeindruckend.

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schrottbrand

Neulich im Cash & Raus:

Ich hab ja mal ganz viele meiner Comics weggegeben. Das war so 10 Jahre nach dem Krieg. Da hat die evangelische Kirche aufgerufen, dass man seinen Schrott verbrennen solle. Auf so einem großen Scheiterhaufen wurde alles zusammen verbrannt. Und da bin ich dann mit meinen Comics hingegangen. Bücher soll man eigentlich ja nicht verbrennen. Das war genau derselbe Geist wie zehn Jahre zuvor. Das ist es aber gar nicht. Ich fand die Comics wirklich gut und habe die nie wieder bekommen. Ich ärgere mich heut noch.

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bücherschrankgedöhns

Ich erinnere mich noch ganz gut an die Schulzeit, als ich Diogenes-Taschenbücher gesammelt habe, um sie in einer Reihe weißer Bücher fast schon edel vereint auf ein Bücherregalbrett zu stellen. Damals hätte ich mir wohl nicht träumen lassen, dass ich derartige Bücher einmal in an die Straße gestellte Bücherschränke abliefere, aber die Zeiten ändern sich. Und ich hätte wohl auch nicht gedacht, dass einem einmal die gebundenen Ausgaben von Diogenes hinterher geschmissen werden.

Büchertauschbörsen und Online-Bücherflohmärkte eröffneten Anfang dieses Jahrtausends das ungemein kostengünstige Sammeln von gebundenen Buchausgaben. Mein Bücherschrank erhielt diverse gebundene Ausgaben, bei denen aber oftmals das Habenwollen das Lesenwollen ausstach.

Elektronische Buchausgaben, Bücherschränke an Straßenecken und Wohnungsausräumungsbücherläden tun mittlerweise ihr übriges, dass aus meinem Bücherschrank ranzige Taschenbücher, Könntestduirgendwannmallesener und Vonderzeitüberholtes den Weg an die Straße finden, da wirkliche Klassiker und Liebhaberstücke ihren Platz beanspruchen. So findet man im Bücherschrank inzwischen ungemein gute Erinnerungen und biographische Spuren.

Aber nun geht es auch den Sachen meiner besseren Häöfte an den Kragen. Gestern fand die erste Bestandsaufnahme und Freilassung statt:

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An die 50 Bücher haben in einem ersten Rutsch den Weg aus der Tür genommen. bislang sind all meine Bücherschrankeinstellugnen in Nullkommanichts vergriffen gewesen. Das erwarte ich bei diese Ladung zwar nicht unbedingt, aber vielleicht vermodern sie nicht unbedingt in der Kälte. Das wäre ja auch schon mal was.

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michel houellebecq – unterwerfung

Es ist schon verwunderlich, wie in letzter Zeit rund um das Attentat auf Charlie Hebdo der Schriftsteller Michel Houellebecq als intellektuelles Gegengewicht zum Islamismus gehandelt wurde. Dabei hatten die Wenigsten sein Buch gelesen und ich vermute, viele, die in Zeiten des Houellebecq-Hypes seinen neuesten Schmöker angeschafft haben, werden ernüchtert sein.

Houellebecq liefert keinen provokanten Roman über Ängste einer Islamisierung des Alltags. In seiner Geschichte wird in erstaunlich kurzer Zeit Frankreich dank einer Regierung einer muslimischen Partei und dank ausgesprochen opportunistisch Mitbürger auf links gekrempelt. Und das so unspektakulär wie unglaubwürdig. Punktet Houellebecq anfangs noch mit einer Spießerkritik von Uni-Absolventen, die sich nach dem Ende des Studiums bereitwillig der ätzenden Eingliederung in die Arbeitswelt ergeben, kippt der Roman spätestens beim oblikatorischen houellebecqschen Rumgebumse: Schon wieder werden da Schwänze und Arschlöcher saubergeleckt, und Schwänze anschließend in nassfeuchte Mösen gestoßen. Alles schon gehabt, alles uninspirierend, nicht provokant und erotisch soll es wohl gar nicht sein, denn das Leitmotiv lautet ja Unterwerfung. Es liest sich wie ein Pornodrehbuch, nur dass Pornos eben keine Drehbücher haben.

Der Rest ist Katholikenkitsch, Nietzschegesäusel und gelebte, sich der Antiaufklärung ergebene Befindlichkeit. Ein Dawkins der Literatur, nicht mehr, nicht weniger.

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jane teller – nichts

jannetellernichtsDieses Buch wurde in Dänemark schon 2000 aufgelegt, schaffte es aber erst 2010 in deutscher Übersetzung in hiesige Bücherläden. In Dänemark verursachte das Buch einen kleinen Skandal – und das nicht ohne Grund.

Das Buch handelt von einer Gruppe Jugendlicher, die sich von einem ihre Mitschüler provoziert fühlt. Dieser steht einges Tages in der Klasse auf und verkündet, dass seiner Meinung nach nichts in der Welt von Bedeutung sei. Daraufhin schaffen die Jugendlichen einen Schrottberg, auf dem sie Dinge verbrennen, die ihnen wichtig sind. Die Aktion artet in psychischer und körperlicher Gewalt aus.

Janne Tellers Roman, zu dem es bei Wikipedia eine ausführliche Inhaltsangabe gibt, besticht durch sprachliche Präzision und einer nervenaufreibenden Geschichte. In bezug auf Jugendgewalt ist der Roman nicht zimperlich, was für einige, aber sicherlich nicht alle Jugendliche realitätsfern ist. Insofern ist dieser Buchtipp vielleicht nicht für jeden Schüler etwas, aber gerade für eine Befassung mit dem Thema Jugendgewalt und Werte ist das Buch eine geeignete Vorlage.

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