dave eggers – the circle

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Die frisch gebackene Uni-Abolventin Mae kommt auf Anraten ihrer Freundin bei der größten, Informationen sammelnden Firma unter. Gleich zu Beginn wird sie herzlich begrüßt, auf die Wichtigkeit der Gemeinschaft im Unternehmen eingeschworen, während man gleichzeitig all ihre persönlichen Informationen abgreift, die verfügbar sind. Mae verinnerlicht bereitwillig die Arbeitsattitüde mehr und mehr und fällt die Karriereleiter hoch. Das führt allerding zu Problemen im privaten Bereich.

Eggers Roman ist eine neuzeitliche Mischung aus Orwells 1984 und Rhues Die Welle. Leider ist das hoch hinaus wollende, aber geistlose und klischeehafte Buch strunzlangweilig geraten.

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judith hermann – aller liebe anfang

Der Romanerstling von Judith Hermann wurde von der deutschsprachigen Feuilletonkritik halb verissen und halb  gelobt. Gott sei dank ist kein Schriftsteller dazu verpflichtet, Feuilletonjournalisten, zumal belehrend auftretend und sich im Ton vergreifend, zu gefallen. Es gibt überhaupt nur wenige, die es meiner Ansicht nach geschafft haben, das Werk passend zu besprechen.

Zu einer passenden Besprechung gehört vor allem die rechte Einordnung. Hermann hat ein Psychogramm einer Mitdreißigerin geschrieben, die dort angekommen ist, wo sie sich hin geträumt hat, die sich dort aber nicht wohl fühlt: In ein kleines Häuschen samt Tochter und Ehemann. Auch in die Beziehung zu ihrem Mann ist sie halb zog sie ihn, halb sank er hin gekommen. Sie fühlt sich nicht wohl in ihrem Leben und nicht in ihrem Beruf, denkt ans Aufhören. Im Altenheim, wo sie arbeitet, hat sie es mit anderen Paaren zu tun, deren Leben sie unbeteiligt und unpersönlich, aber nicht uninteressiert begegnet. Sie kann nicht aus ihrer Haut, kann keine Revolution im Privaten auf den Weg bringen. Das Unheil nähert sich in Person eines Stalkers in derselben Straße, das letzten Endes das bisherige Privatleben sprengt.

Wie Hermann diese Unglückskonstellation auf wenigen Seiten am Anfang des Romans zusammenzurrt, dass ist große Kunst. Und mir passt der Schreibstil in dieser Geschichte auch wesentlich besser als in ihrem Debut. Man könnte sich eine größere Distanz in der Form zwischen Erzähler und Hauptfigur denken, aber das wäre vielleicht der Stimmung des Romans abträglich geworden.

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judith hermann – sommerhaus, später

Ich habe diesen Schmöker seit Ewigkeiten im Schrank stehen. Aber nach dem ersten Hype, der mir nicht ganz geheuer war, habe ich das Lesen vor mir her geschoben. Vielleicht findet sich eine Zeit, zu der man unvoreingenommener an das Werk gehen könnte. In der Diskussion um den aktuellen Erstlingsroman von Judith Hermann fand ich es nun passend, zunächst dieses Werk mir vorzunehmen, um einen Stil der Autorin auszumachen. Der ist zwar vorhanden, aber in diesem Buch gewinne ich ihm nichts ab. Die Geschichten plätschern unbewegend für den Leser vor sich her, mal mit mehr, mal mit weniger Lokalkolorit.

In dem Berlin, das Judith Hermann erzählerisch erfunden hatte, wollten auch wir leben.

schreibt Ijoma Mangold. Für mich spricht Mangold nicht. Mag sein, dass das Buch ein adequates, stilgebendes Bild der Berliner Künstlerszene des ausgehenden Jahrtausends gewesen ist. Inzwischen ist es verpufft.

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andrej kurkow – picknick auf dem eis

Kleiner Roman des ukrainischen Schriftstellers über einen Nekrologenschreiber, der sich aus einem bankrotten Zoo einen Pinguin nach Hause holt, dann ein kleines Mädchen zubehüten hat und was mit deren Kindermädchen anfängt. Schließlich dämmert ihm, in was für einer Gefahr er sich befindet, denn er hat die Nekrologen zu schreiben, bevor die beschriebenen Personen tot sind. Sicherlich eine schöne Vorlage für den Film, der hierzu gerade gedreht wird, aber Tiefe erreicht das Buch nicht.

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matthias göritz – träumer und sünder

buchleser Ein Interviewer beschäftigt sich mit einem deutschen Filmproduzenten zu Zeiten dessen letztem großen Filmes. Ganz unterhaltsam lesen sich die Bemerkungen des Filmemachers, aber der Interviewer und dessen Geschichte bleibt farblos und uninspiriert.
Man kann aus diesem Schinken sicherlich einen guten Film machen, in dem eine Filmemacher sein eigenes Fach auseinandernimmt. Als Buch hat mich die Geschichte nicht gefesselt und nur ab und an interessiert.

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christian wulff – ganz oben, ganz unten

buchleser

Man muss die ersten 100 Seiten dieses Schmökers überleben, sowie die unkritische Haltung zu Parteiendemokratie und der eigenen Rolle als Bundespräsident nicht auf die Goldwage legen, dann geht es bei Christian Wulff zur Sache:

  1. Seine Ausführungen zum Thema Integration liefern den Unterbau zur Behandlung des Themas als Bundespräsident und zeigen, dass er mit diesem Thema bislang besser punkten konnte als sein Nachfolger Gauck mit dem Thema „Freiheit“.
  2. Seine Ausführungen zur christlichen Interpretation vom gesellschaftlichen Miteinander sind beachtenswert – gerade in direkter Konfrontation zu fundamentalistisch-christlichen Stimmen aus Deutschland.
  3. Seine Manöverkritik vor allem an „Blödzeitung“ (Paul Stöver), SPIEGEL und FAZ werfen die Frage auf, weswegen es bei den entsprechenden Verlagen nichts, aber auch gar nicht gegeben hat, um den Qualitätsjournalismus nicht an der Nase durch die Manege zu schleifen; Gerüchte wurden wie Tatsachen behandelt, Entlastendes unter den Tisch fallen gelassen, drohende Negativschlagzeilen als Erpressungsgegenstand genutzt. Man hat ohne Zwang die Hosen runter gelassen.

Und so schreibt Peer Steinbrück über das Buch:

Mit einem gewissen Abstand stellen sich der ‚Abschuss‘ und die Entwürdigung von Christian Wulff als Skandal eines gewalttätigen Journalismus im Umgang mit einem Politiker dar. […] Die Spiegel-Affäre vor über 50 Jahren war schlechthin der Skandal der Politik im Umgang mit einem kritischen Journalismus und der Pressefreiheit. Jetzt ist es umgekehrt.

Bei der FAZ ist Jürgen Kaube vom Buch nicht begeistert. Wen wundert’s.

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graeme simsion – das rosie-projekt

buchleserDieser Schinken wird jetzt schon als Weltbestseller gehandelt, was nichts über die Qualität aussagt: Autistisch veranlagter Autismus-Wissenschaftler geht per ausgeklügeltem Fragebogen auf Brautschau und verliebt sich in die Falsche, der er bei ihrer Vatersuche behilflich ist. Die Irritationen, die er als autistisch Veranlagter in Situationen hervorruft, wenn er sich politisch korrekt verhalten möchte, sind der Witz an dieser Geschichte – leider der einzige.

Wer sich die Geschichte doch vornehmen möchte, dem sei das von Robert Stadlober vorgelesene Hörbuch ans Herz gelegt.

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bernhard schlink – das wochenende

Anhänger einer ehemaligen terroristischen Vereinigung treffen sich nach Entlassung ihres Anführers aus dem Knast für ein Wochenende, des Wiedersehens wegen, des Planens wegen, der Selbstfindung wegen. Irgendwie hatte ich diesen Roman schon länger auf dem Schirm, und alles andere von Schlink, das ich bisher nicht gelesen hatte, drängte es zurück, während ich nach Der Vorleser auch nicht unbedingt weiter Schlink lesen wollte. Und der Roman enttäuscht. Die Figuren sind blaß, ihre Gedanken simpel, allesamt scheiternd. Das Buch ist weder erhellend, noch geistreich.

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marcel beyer – flughunde

Das Buch habe ich kurz nach Erscheinen in den 90ern gekauft, allerdings ob der Sprache nach wenigen Seiten weggelegt. Nun habe ich es endlich geschaft, es zu lesen, und bereue es nicht, auch wenn es sprachlich nicht unbedingt fesselnd ist.

Dafür entschädigt die Geschichte des Wachmanns und Geräuschaufnehmers Karnau, der Ende April 1945 auf die Familie Goebbels trifft, von denen die älteste Tochter ihre letzten Tage erzählt, ungemein.

Bei der FAZ gibt es eine Rezension eines Schreibers mit dem Kürzel azz, die ich empfehle. Sie gipfelt in der folgenden, überdenkenswerten Interpretation:

An dieser Stelle, wo Karnau bereits schuldig geworden ist; wo er den anderen versehrt hat, um die Wahrheit zu finden: Das ist der Moment, wo er eines nachts von Rilkes Urgeräusch träumt. Von der Grammophonnadel auf der eigenen, offengelegten Schädelnaht. In das Geräusch der ersten Knochensplitter mischt sich ein Knattern. Ein absurdes Geräusch: Karnau versteht nichts. Es gibt nichts zu verstehen. Es ist nur die Schuld, die als einziges bleibt.

Leseempfehlung.

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martin gülich – was uns nicht gehört

Sex, so die Antwort des Buches von Martin Gülich auf den Titel. Wieso, warum, weshalb wird nicht geklärt, das Leben schliddert an allen Personen im schnell durchlesbaren Buch vorbei. Und so schliddert allerdings die wohlformulierte Geschichte etwas am Leser vorbei, hinterlässt aber mit dem Bulli-Abenteuer und der Gesangseinlage im Altersheim vielleicht Spuren. Das Buch selbst habe ich im Cash & Raus entdeckt, enttäuscht hat es mich nicht.

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