heiraten auf amerikanisch

In Kalifornien ist die Diskussion wieder brandaktuell, wie mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften umzugehen sei. Die Ablehner der Heirat von gleichgeschlechtlichen Partnern haben auf einer Internetseite dargelegt, wie sie ihre Position charakterisieren.

Mein Freund Dan sieht sich immer wieder mit derart sturen Positionen konfrontiert und fühlt sich als Amerikaner herausgefordert, sich mit ihnen zu befassen. In seinem ersten Blogeintrag setzt er sich ausführlich und faktenreich mit der Proposition 8 auseinander.

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man müsste was unternehmen

Immer wenn ich nach Bielefeld fahre, bleiben mir etwa 20 Minuten am Bahnhof, bevor es für mich weitergeht. Und als ob Bielefeld bei nassem, düsterem Wetter nicht schon ernüchternd genug wäre, ist am Hauptbahnhof ziemlich wenig los. Wenn es kalt ist, zieht es mich entweder in die Thalia-Buchhandlung dort oder in den McDonald’s. Beides keine Wahl par excellence, aber da drin ist es halt warm.

Heute nun stiefelte ich wieder die Bahnhofstreppe hoch, durfte mich von der Anzeigetafel am Eingang davon informieren lassen, dass meine Anschlußstadtbahn geraaade weggefahren ist und schlug schlurfend den Weg zu McDonald’s ein. Und wie ich so schlurfte überholte mich links eilig ein etwa 10cm größerer Mann im dunklen Mantel, wehenden Schals das amerikanische Billigessenparadies erobern wollend. Er erreichte gut 20 Meter vor mir die Eingangstüren des Burgervertickers, drückte sich – den Schwung mitnehmend – aufbäumend gegen die eisernen Türschlaufen und hoppste abgewiesen wieder zu Boden. Er drückte ungläubig nochmal, aber die Tür gab wieder nicht nach. Er stellte seinen Aktenkoffer ab und schob seinen Stoffhut mit Ripsband etwas nach oben. Er drückte – nichts. Ungläubig schaute er zu den grobmotorischen Tablettträgern im Innern des Restaurants, dann wieder auf die Tür, drückte die linke Tür ebenso erfolglos, versetzte dann dem Türgriff einen Schlag mit der Hand und brüllte lauthals: „So eine Scheiße!“

In die abrupte aufgekommene Stille rund um den Eingang war jetzt die Frage getreten, ob man eine schnelle Kehrtwende vollzieht und einfach den anderen Eingang an der Straße nimmt oder ob man der Dinge harrt, die da kommen werden. Aber bevor ich mir überhaupt eine Meinung bilden konnte, hatte sich der Türschubser auch schon umgedreht und schaute mich wutschnaubend an: „Alles läuft hier falsch! Es ist zum Kotzen! Nichts funktioniert in Deutschland! Es ist alles kaputt! Und dann kommt die Merkel und wirft Geld aus dem Fenster! Jaaa, daaaaafür hamse Geld. Aber unsereins muss sehen, wo er bleibt. Aber es sagt ja niemand was. Sie sagen ja auch nichts.“

Ich nickte im Geiste.

„Und die, die es könnten, die machen nichts. Und dann die Linken! Es ist doch alles lächerlich. Lächerlich ist das! Man darf gar nicht drüber nachdenken. Man regt sich nur auf! Das könnte denen so passen, ja das könnte denen so passen. Aber nicht mit mir. Nicht mit mir! Da muss man doch was unternehmen! Eine ganz große Scheiße ist da am Laufen!“

Ich harrte ihn an.

„Achhrrr“ sagte der Wutmensch, zog seinen Hut etwas mehr ins Gesicht, warf mir eine wegwischende Handbewegung zu, schnappte sich seinen Aktenkoffer und schritt von dannen. Und damit ermöglichte er mir die freie Sicht auf die zwei kleinen Schilder, die an beiden Türen mittig angebracht waren: „Ziehen.“

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reinhard ascheberg – die ent-subjektivierung des menschen

Eine ausführliche Kritik dieses Buches hat Georg Geismann schon besorgt. Dieser Einschätzung kann ich mich nur anschließen. Ascheberg liefert eine hervorragende Analyse des Gedankens der Subjektivität zur Zeit der Shoa aus der Perspektive eines Philosophen.  Sofern dies überhaupt möglich ist, wie er bereitwillig einräumt.
Ascheberg erläutert sehr eindringlich, inwiefern der Aufenthalt in einem Konzentrationslager auch ein schwerer Angriff auf die Subjektivität eines Menschen mit der Absicht diesen zu brechen gewesen ist.
Die Sprache Aschebergs ist durchaus anspruchsvoll, man sollte sich aber nicht unbedingt davon alleine schon abhalten lassen.

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alice herz-sommer – ein garten eden inmitten der hölle

Deises Buch ist eine von Melissa Müller und Reinhard Piechocki erstellte Biographie der in wenigen Tagen 105 Jahre alt werdenden Alice Herz-Sommer.
An diesem Buch gibt es eigentlich gar nichts herumzumäkeln. Herz-Sommer präsentiert ein Leben, in dem sie durch die Hölle, d.h. in diesem Fall das Konzentrationslager Theresienstadt, gehen musste, und wie sie diese auf ganz erstaunliche Weise durch Optimismus und ihre Klavierkunst zu überstehen verstand. Müller und Piechocki erzählen dieses dramatische Leben mit leicht verständlichen Worten, so dass man fast ein leicht lesbares Buch in Händen zu haben scheint.

Mehr dazu:
Alice Herz-Sommer: Surviving the Holocaust.

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tilman rammstedt – der kaiser von china

Tilman Rammstedt hat im Oktober endlich seinen seit dem Sommer angekündigten Roman „Der Kaiser von China“ veröffentlicht. Für dieses Buch erhielt er schon diverse Preise im voraus, u.a. den Ingeborg-Bachmann-Preis.
Und vielversprechend beginnt auch dieser kleine Schmöker. Die ersten 40 Seiten sind eine äußerst komische Beschreibung der Macken des Großvaters von Hauptfigur Keith. Es sind aber auch wohl nur die ersten 40 Seiten, die beim Bachmann-Preis vorgelesen wurden. Danach ändert sich der Roman etwas, ohne dass man von einem außerordentlich überraschendem Wechsel sprechen könnte. Keith bekommt von seinen Geschwistern Geld für eine Reise mit dem Großvater, welches er im Kasino mit dessen Geliebter auf den Putz haut. Dann stirbt der Großvater und Keith erfindet sich im eigenen Haus versteckend die Geschichte einer China-Reise mit dem Großvater.
Dieser zweite Teil ist nun verglichen mit dem Anfang kaum noch humorvoll, darauf aber auch nicht angelegt. Es ist eine durchaus detailliert geschriebene Erzählung ohne größeren Tiefsinn. Sollten die ersten 40 Seiten dem Leser irgendwas schmackhaft gemacht haben, außer dem Erzähltalent Rammstedts wird ihm nichts präsentiert.
Das ist nicht weiter schlimm, die 160 Seiten lesen sich flott, man hätte aber fast mehr erwartet. Mich hat die Lektüre an Hard-boiled wonderland oder das Ende der Welt von Haruki Murakami erinnert. Auch dort beginnt ein Roman mit einer sehr witzigen Alltagsbeschreibung und mündet in einer phantasievollen Geschichte, die aber nicht mehr witzig ist.

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