michail bulgakow – der meister und margarita

Der Tod ist in Moskau angekommen, heißt dort Voland, will das Böse und schafft das Gute und übt so Druck aus auf Personen, die mit seelischen Krankheiten, der Schaffung von Kunst und der Religion zu schaffen haben. Der Roman ist ein ziemlicher Höllenritt, der vielleicht nicht unbedingt fesselt, aber die Aufmerksamkeit des Lesers braucht, da von dauernd von der einen in eine andere Situation gestolpert wird. Mir fehlt wohl noch das geschichtliche Verständnis für die Geschichte, ansonsten war es gut, wenn auch irritierend, zu lesen.

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karen duve – anständig essen

Dieses Buch nervt. Ich weiß auch nicht, wieso es gerade so oft in den Medien zu finden ist. Ich habe auch nicht verstanden, ob einer der Gründe, dass es dieses Buch ist, derjenige ist, dass eine Autorin ihrem Verlag mal wieder ein Buch verschaffen muss. Das Buch nervt schlicht wegen seines überbordenden Subtextes, durch den man irgendwann nicht mehr durchschaut und durchschauen will. Dabei hat Karen Duve auch mit dem Lexikon der berühmten Tiere meine Lieblingsklolektüre geschaffen. Dabei ist die Grundausgangslage von Anständig essen leicht erläutert:

Die Grausamkeiten, Gemeinheiten und Rücksichtslosigkeiten, die Menschen wie ich jden Tag begehen, sind die Folgen eines bilogischen Prinzips, das wir mit allen anderen Spiezies auf diesem Planeten teilen, dem Prinzip Eigennutz.

So gesehen ist das Essen von Tieren legitimiert. In Fragestellungen darüber, ob und auf welche Weise Tiere genutzt werden dürfen, wird oft auf Tierethik verwiesen. Nur gibt es schlicht keinen Grund, Ethik auf Tiere selbst auszuweiten. Daher verweist auch Duve auf Mitleid oder Mitgefühl, um Tiernutzung als ethische Angelegenheit auszugeben. Aber dies ist schlicht nur ein argumentativer Grundfehler. Als argumentative Herangehensweise taugt das Buch somit nicht. Vielleicht sensibilisiert es dennoch einige Leser, was ihr Essverhalten betrifft. Und auch als eine Art persönlicher Erzählung mag es seine Berechtigung haben. Wie gesagt, mich nervt nur der ganze teils naiv-persönliche Subtext. Das verwässert nur das ganze Thema. Besser Thilo Bode lesen.

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benedikt xvi. – licht der welt

Peter Seewald interviewt Papst Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger und agiert dabei als Fan der Katholischen Kirche im Gewand eines seriösen Journalisten. Vielleicht mag das in dieser Form kirchenintern okay sein, aber einen kritischen Ansatz zu den Bemerkungen des Papstes, trotz aller kritischen Ansätze beim Fragen, vermisst man doch schmerzlich. Spätestens wenn Seewald ein „brasilianisches Model“ mit Allerweltsweisheiten anführt, knirscht der Leser mit den Zähnen. Und dann all diese albernen Tatsachenbehauptungen Seewalds, die glauben machen, es gehe in diesem Buch auch um die Ansichten Seewalds, und nicht allein um ein Gespräch mit dem Papst. Warum schreibt Seewald nicht ein eigenes Buch, wenn er sich genötigt fühlt, die Position der Katholischen Kirche zu rechtfertigen?

Aber es passt auch irgendwie zu dem, was der Papst da von sicht gibt. Der Papst ist und bleibt halt auf seine Weise Fundamentalist, zieht sich immer wieder auf selbsterfüllende Prophezeiungen zurück. Schwulsein ist halt unnatürlich – obwohl es doch dauernd in der Natur vorkommt – und soll nicht Anreiz zum Priesterwerden sein. Sexverzicht sei ebenso von Gott auferlegt, wasimmer das genau heißen soll. Letzten Endes wird immer auf irgendetwas Unbelegbares verwiesen, keine einzige derartige Ansicht ist belegbar. Immerhin verweist der Papst auf eine angebliche Immerverfügbarkeit von Kondomen und lässt im Raume stehen, ob dies eine akzeptable Möglichkeit sein soll.

Aber auch sonst ist es interessant, was der Papst da vom Stapel lässt:

Die monogame Ehe gehört zum Fundament, auf dem die Zivilisation des Westens beruht. Wenn sie zusammenbricht, bricht Wesentliches unserer Kultur zusammen.

In der Sicht der Katholischen Kirche bricht immer irgendwas zusammen, wenn man an ihren fundamentalistischen Sichtweisen rüttelt. Warum sollte überhaupt gleich etwas zusammenbrechen, wenn Monogamie nicht der Standard bleibt?

Ein Großteil der heutigen Philosophen besteht tatsächlich darauf, zu sagen, der Mensch sei nicht wahrheitsfähig. Aber so gesehen wäre er auch nicht zum Ethos fähig.

Ja, der Papst ist auf dem Laufenden, was in der Philosophie so abgeht. Das Problem an dieser Stelle ist nur: Diese Philosophen bezweifeln ja auch diesen Ethos. Und dagegen verrichtet man mit einem schlicht behaupteten Gegensatz nichts.

Es breitet sich eine neue Intoleranz aus, das ist ganz offenkundig. Es gibt eingespielte Maßstäbe des Denkens, die allen auferlegt werden sollen. Diese werden dann in der sogenannten negativen Toleranz verkündet. Also etwa, wenn man sagt, der negativen Toleranz wegen darf es kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden geben. Im Grunde erleben wir damit die Aufhebung der Toleranz, denn das heißt ja, dass die Religion, dass der christliche Glaube sich nicht mehr sichtbar ausdrücken darf.

Natürlich darf er das, nur nicht vorgeschrieben wirkend in der Schule. Aber einem Fundamentalisten können sie auch kaum erklären, dass er Fundamentalist ist.

Eine bloße Fixierung auf das Kondom bedeutet eine Banalisierung der Sexualität, und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie sich selbst verabreichen.

Droge, natürlich, da drunter wäre keine Metapher des Bösen zu finden. Dabei will ja niemand eine bloße Fixierung auf Kondome. Überhaupt sind Vorstellungen von Leuten, die nie Sex hatten, über Sex, dass dieser ausschließlich Ausdruck von Liebe sei, höchst skuril.

In Deutschland hat jedes Kind neun bis dreizehn Jahre Religionsunterricht. Wieso dann gar so wenig hängen bleibt, um es mal so auszudrücken, ist unbegreiflich. Hier müssen die Bischöfe in der Tat ernsthaft darüber nachdenken, wie der Katechese ein neues Herz, ein neues Gesicht gegeben werden kann.

Da ist jemand wohl nicht auf dem Laufenden: Nicht jedes Kind hat neun bis dreizehn Jahre Religionsunterricht. Und die Ansicht, dass die Bischöfe der Basisarbeit in der Katholischen Kirche zu Popularität verhelfen können, finde ich eher belustigend.

Die Kirche hat „keinerlei Vollmacht“, Frauen zu weihen. Es ist nicht so, dass wir sagen, wir mögen nicht, sondern: wir können nicht. Der Herr hat der Kirche eine Gestalt gegeben mit den Zwölfen – und in deren Nachfolge dann mit den Bischöfen und den Presbytern, den Priestern.

Schnöff, tä täääääää. Warum wirkt der Gott der Katholiken auf Katholiken nur immer so irrational? Sicher auch nur eine Prüfung für Katholiken, damit wäre die Sache dann wieder rund.

Enttäuscht werden sich von diesem Buch auch alle sehen, die sich in den Missbrauchsskandalen Aufklärung seitens der Katholischen Kirche wünschen: Nach dem Papst sieht der normale Prozess hier so aus: Erst den missbrauchten Schäfchen helfen, dann die Täter strafen und dann das Verbrechen aufklären. Nach Belieben der Katholischen Kirche wird hierüber die Öffentlichkeit informiert. Vom rechtzeitigen Einbezug rechtsstatlicher Organe keine Rede. Von der Kritik von Missbrauchsopfern, dass die Katholische Kirche Aufklärung mutwillig behindert – keine Rede. Nur Rede davon, dass gesamtgesellschaftlich gesehen verhältnismäßig wenig Missbrauch in der Katholischen Kirche stattfindet. Das soll dann wohl was Gutes sein.

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paul torday – the irresistible inheritance of wilberforce

Also, dies ist ein gutes Buch, kein angenehmes, ein eher bedrückendes, schweres Buch. Wer es lesen möchte, sollte sich um des besseren Eigenleseeindrucks vielleicht nicht weiterlesen. In der deutschen Übersetzung heißt das Buch „Bordeaux“.

Geschrieben ist die Geschichte so schlicht, wie ihr Held gestrickt ist: Es gibt keine Überraschungen, keine Ironie, keine doppelten Böden, also nichts von dem, was „Lachsfischen im Jemen“ auszeichnete.

Man kann diesen Roman ganz leicht missverstehen, wenn man wie Felicitas von Lovenberg annimmt, es sei so etwas wie sein Vorgänger: Lustige Popkulturunterhaltung. Das ist es gerade nicht.

Aber Namedropping allein macht noch keinen Weinkenner und Tragik noch keinen Romanhelden.

Der Held des Buches, Francis Wilberforce, ist ja auch kein sonderlich guter Weinkenner, das ist ja gerade der Witz. Der Held ist ein verkannter, opportunistischer Soziopath, der sich zu Grunde säuft. Und die Personen in seinem Umfeld ahnen das bis auf den Ex-Freund seiner Frau nicht:

I don’t know why I asked him. I know nothing about him than when I first met him. He seems to have wandered into our lives from nowhere. He’s Mr Nobody.

Sein Mitunternehmensinhaber Alex bringt etwa in der Mitte das Problem mit dem meist nicht mit Vornamen betitelten Wilberforce zur Sprache:

You know, when they put you together, Wilberforce, they left something out. I don’t know what it is, but something’s missing in you. You’re not normal. I should have seen it before.

Aber was fehlt? Das muss sich der Leser zusammenpuzzeln, will er nicht oberflächlich enttäuscht durch die Lektüre werden wie Frau Lovenberg.

Angelegt ist das Buch in Rückblicken auf das Leben von Wilberforce, sofern es seinen Niedergang erklärbar macht. Was fehlt Wilberforce fehlt ist Mitgefühl mit anderen, das Sich-hinein-versetzen-können in andere. So kann er keinen Unterschied erkennen zwischen Freundschaft und oberflächlicher Bekanntschaft. Er entwickelt keine tieferen Gefühle, auch nicht zu seiner Frau. Als er deren Ex-Freund über sich reden hört, begreift er seine oberflächliche Wirkung als Chance, sich anderen gegenüber als verstellt, als Rolle zu präsentieren. So wird er mal hier mal dorthin getrieben und erliegt irgendwann dem Alkohol, den er als von anderen unerkannte Wissenschaft begreift. Ein deutscher Weinkenner weist ihn auf die Gefahr der vermeindlichen Weinkennerei hin:

Be careful. It is good to like wine; it is acceptable to love it, as I do; but what Francis feels for wine is beyond love. You must be careful to stop at liking. Even loving is a little dangerous.

Aber das Ziehen einer Grenze findet bei Wilberforce gar nicht statt. Und das endet für jemand anders tödlich.

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eric t. hansen – nörgeln! des deutschen größte lust

Nörgeln – wer kennt es nicht, wer tut es nicht, wen nervt es nicht? Eric T. Hansen hat sich des Themas auf sehr humorvolle Weise angenommen. Gerade auf den ersten Seiten erweist er sich als Fachmann des Nörgelns und des wissenschaftlichen Nörgelns.

In der Nörgelgeschichte der Literatur steht Faust als literarisches Meisterwerk einsam da. Goethes wahres Genie im Erschaffen dieser Jahrtausendfigur wird erst recht deutlich, wenn man Faust mit anderen großen literarischen Jammerern der Weltliteratur vergleicht. Wie viel konsequenter und authentischer wäre es gewesen, wenn Shakespears Hamlet ohne Grund unzufrieden wäre:

Bin ich nun, ach! Prinz,
erfolgreich, wohlhabend,
erbe demnächst ein Königreich,
und bin leider auch gutaussehend,
die sexy Ophelia macht mir durchaus
Augen mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und finde alles genauso Scheiße wie zuvor.

Die Lektüre unterhält also ganz beschaulich und enttäuscht auch sprachlich nicht. Ich vermisse dabei allerdings eine Abgrenzung von Nörgeln zu gerechtfertigter Kritik. War dieser Satz jetzt in Hansens Augen nur nörgeln? Im zweiten Teil des Buches geht dem Autor dann auch in dieser Hinsicht die Puste aus und es wird sehr weitläufig von Nörgeln gesprochen, was weder überzeugt, noch witzig ist. Dafür ist der Leser durch den ersten Teil schon hinreichend entschädigt. Eine unterm Strich sehr geistreiche Lektüre.

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