michael buback – der zweite tod meines vaters

– Am 20. August 2009 wurde seitens der Bundesanwaltschaft das Auffinden von DNA-Spuren Verena Beckers am Bekennerschreiben zum Mord an Generalbundesanwalt Buback bekannt gegeben. Daraufhin wurde ihre Wohnung durchsucht.[1]

– Am 27. August 2009 wurde Verena Becker aufgrund des dringenden Tatverdachts, am Mordanschlag auf Siegfried Buback beteiligt gewesen zu sein, festgenommen.

– Am 28. August 2009 wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen.[2][3] Im Zuge der neu aufgenommenen Ermittlungen bestätigten sich frühere Berichte, dass Verena Becker als Informantin für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig gewesen war.[4]

Der Fall Buback ist wohl einer der merkwürdigsten in der Geschichte der deutschen Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf seines Sohnes Michael Buback an offizielle Stellen ist nicht von Pappe: Die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker wurde bei der juristischen Aufarbeitung des Mordes aus der Schusslinie genommen, obwohl Indizien darauf hindeuten, dass sie selbst den Abzug betätigte. So kann man es in der jetzt erschienenen, erweiterten Ausgabe Der zweite Tod meines Vaters von Michael Buback nachlesen.

Das Buch ist äußerst lesenswert, weil man einem intelligenten Menschen in die Küche schauen kann, wenn er logische Bezüge zwischen Fakten herstellt, kontrolliert, beiseite schiebt oder eben zum Vorwurf erhebt. Im Raum steht dabei, dass Buback sich als Verschwörungstheoretiker aufspielt, aber es wäre vermessen, diesen Vorwurf auf das ganze Buch auszustrecken. Es ist allerdings bspw. bei der Heranziehung des Ohnesorg-Falls unsauber argumentiert, von diesem Fall bezüge auf Ermittlungen im Buback-Fall zu ziehen. Das widerstrebt dem ansonsten logischem Vorgehen Michael Bubacks. Dies führte ihn zu der sich nun als richtig herausgestellten Vermutung, Becker habe für den Verfassungsschutz gearbeitet.

Die Bundesanwaltschaft glaubt wohl immer noch nicht, dass es Becker gewesen ist, die vom Soziussitz des Tatmotorrads aus Siegfried Buback und seine zwei Begleiter schoß. Aber es sind wohl auch die drängenden Nachforschungen Michael Bubacks gewesen, die den Fall juristisch neu aufleben lassen. Becker, die mit der Tatwaffe 3 Wochen nach dem Mord einen Polizisten schwer verletzte, war bei einem Telefongespräch mit Brigitte Mohnhaupt abgehört worden, in dem sie sagte, dass sie keine Unannehmlichkeiten im Fall Buback erwarte, da die Sachbeweise fehlten, „außer die Bekennerbriefe“. Und eben darauf fand man nun Fingerabdrücke Beckers.

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weiter:
hintergrund.de
Verschlussache Becker
Nils Minkmar
Die Einsamkeit des Michael Buback
Hans LeyendeckerDas Mädchen Verena

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ode an die wahlenthaltung

Gabor Steingart hat in diesem Jahr zwei Bücher mit etwa gleichem Inhalt veröffentlicht: „Die Machtfrage – Ansichten eines Nichtwählers“ und „Die gestohlene Demokratie“. Das erste kostet 15, das letztere 9 €, wen das interessiert, kann zur günstigeren Variante greifen, so unterschiedlich ist der Gedankengang Steingarts nicht. Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, für die Steingart argumentiert:

1. Die Wahlenthaltung ist in einer Demokratie eine der möglichen Wahlentscheidungen und als solche nicht zu beanstanden.

2. Es ist nicht so, dass Wahlenthaltungen die „Falschen“, sprich: die Rechten, stärken.

Diese beiden Argumente gewinnt Steingart locker, schwimmt damit allerdings, und das ist das Interessante, gegen einen politischen Mainstream an. Steingart plädiert dafür, den Parteien eben nicht seine Stimme zu geben, wenn einem das Politikangebot nicht passt. Und in dieser Hinsicht geben sich diverse Parteien ja gerade richtig Mühe, am Wähler vorbei Politik zu betreiben. Der Rest des Buches sind nette Rück- und Zukunftsbetrachtungen, die aber nicht weiter stören.

Nicht wählen zu gehen, weil man keinen Bock dazu hat, kann man also nach wie vor angreifen. Die bessere Entscheidung ist es, sich mit der Politik auseinander zu setzen. Vielleicht findet man auf diese Art und Weise eine Partei, die den eigenen Interessen entspricht. Aber es ist genauso akzeptabel, wenn hienach eine Wahlenthaltung herausspringt.

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ex-spd-internetwahlkämpfer redet tacheles

Jemand, der ehemals in diesem Jahr in der SPD-Internet-Wahlkampfzentrale gearbeitet hat, hat sich wohl gerade jemand etwas Luft über den mislungenen SPD-Internet-Wahlkampf gemacht und ich finde das wirklich lesenswert, wenn der Text auch lang ist.

Mein Lieblingssatz ist ja: [Steinmeier] wirkt wie ein Mann, der ständig den Heiratsantrag verschiebt, weil er sich nicht sicher ist, ob er
wirklich verliebt ist.

Ein entzückendes Bild. Aber der anonyme Schreiber wird sachlich auch
etwas deutlicher:

Die SPD-Bürokratie ist auf dem besten Wege aus lauter Angst vor der
Demokratie, vor den bösen Medien, vor den uneinsichtigen Bürgern und sogar vor den lästigen Genossen die gesamte Partei in die Knie zu
zwingen. In Verbeugung vor dem Guru „Kontrolle“ und dem Guru „Politische Kommunikation“.

Nicht immer ist der Schreiber ganz klar in seiner Ausdrucksweise, aber
den Musikknochen trifft er schon ganz zielsicher.

Es wird, so scheint mir, der sozialen Gerechtigkeit nicht gerecht, als Markenkern herhalten zu müssen, als strategische Komponente,
Verpackungsbotschaft für ein Produkt. So werden Werte zu Werbung:
ent-wertet. Tickets to nowhere.
Treffer, versenkt.

Er beschwert sich, dass die Ach-so-Intelligenten in den höheren
SPD-Kreisen sich nie auf ein offenes Gespräch einlassen und dann
irgendwann trotzig werden.

Und weil sie glauben, dass Politik so funktionieren kann, sorgen sie
mit dafür, dass sie nur so funktioniert.

Man mag dem Schreiber ja vielleicht eine etwas gekränkte Eitelkeit
unterschieben wollen, weil seine Ideen nirgends aufblühen konnten, aber eine bessere Analyse des sicherlich unfruchtbaren Internet-Wahlkampfes auf Bundesebene kenne ich nicht.

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blogday 2009


Heute ist der Blogempfehlungstag [mehr] und da lasse ich mich mal nicht lumpen und empfehle ein paar von mir mit Begeisterung gelesene Blogs:

Mellcolm schreibt ausgesprochen unhochnäsig in feiner Sprache über Dies und Jenes. Bei ihr sollte man sich am besten etwas Zeit nehmen, und sich einfach mal reinlesen.

Auf The typing makes me sound busy verzapft Jelisa in schlagfertigender Prosa genau das, wovon der Untertitel des Blogs zeugt: „Learning a lot about life by making a mess of my own.“ Ich weiss genau, was du meinst.

Wer Die Schönheit der Chance besucht, lernt Oasis-Fan Litte James kennen, die salopp plaudernd ihren Alltag begleitet. Wobei sie die Qualität ihres Schreiben gerne tief hängen möchte. Aber das alles ist so gut aufgefasst und wohlformuliert, dass man am Ball bleibt.

Falk Madeja
darf bei der Tag im Blog Meine Güte Wichtiges und Nebensächliches aus den Niederlanden zum Besten geben. Dabei stoße ich dort oft auf Infos, die ich noch nicht kannte. Und das will was heissen.

Phoebe Henderson quatscht gerne über ihr Sexualleben, das heisst, gerade tut sie es eher nicht, weil sie die Lust verloren hat, darüber zu schreiben. Aber die alten Texte sind ja noch da, die darf man gerne mal nachlesen.

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bücher online

Im Netz findet man inzwischen eine beträchtliche Zahl von Büchern. Ich verlinke hiermit ein paar lesenswerte Schmöker.

Heinrich Heine Buch der Lieder
Friedrich Hölderlin
Sämtliche Gedichte, Schriften
Franz Kafka
Brief an den Vater, Erzählungen, Der Prozess
Rainer Kuhlen Erfolgreiches Scheitern – eine Götterdämmerung des Urheberrechts?
Gustav Schwab Sagen des klassischen Altertums
mehr Gutenberg-Sammlung

Philosophie
Manfred Baum Festschrift zum 65. Geburtstag
Ansgar Beckermann Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, Einführung in die Logik
Reinhard Brandt Die Bestimmung des Menschen bei Kant, Jean-Jacques Rousseau, Rechtsphilosophie der Aufklärung
Martin Carrier Nikolaus Kopernikus
Herbert James Paton The moral law
John Rawls Justice as Fairness
Klaus Reich Gesammelte Schriften
Jean-Jacques Rousseau Über den Gesellschaftsvertrag
Gilbert Ryle The concept of mind
Michael Wolff Abhandlung über die Prinzipien der Logik, Das Körper-Seele-Problem, Die Vollständigkeit der Kantischen Urteilstafel; Artikel zu Gottlob Frege
Eike von Savigny Grundkurs im logischen Schliessen

– Sammelbände etc.
Thomas Hobbes – Klassiker auslegen
Immanuel Kant Die Kritik der reinen Vernunft
Jürgen HabermasSystematisches Handlexikon zur Kritik der reinen Vernunft

Klassiker
Aristoteles Nikomachische Ethik
Charles Darwin
Über die Entstehung der Arten
G.W.F. Hegel
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
Thomas Hobbes Leviathan
David Hume Enquiry concerning human understanding [deutsche Übersetzung]
Edmund Husserl Cartesianische Meditationen
Immanuel Kant
Gesammelte Schriften nach der Akademie Ausgabe, Eislers Kant-Lexikon
Karl Marx, Friedrich Engels Gesammelte Schriften
John Locke Two treatises on Government
Platon Gesammelte Schriften

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die neue abseits ist da

abseitsDie neue Ausgabe von Abseits ist in Osnabrücks Fussgängerzonen wieder erhältlich. Ich hatte schon geunkt, dass es die Zeitung gar nicht mehr gibt, weil das letzte Lebenszeichen im Internet aus dem Jahr 2007 stammt. Aber jetzt habe ich wieder Verkäufer gesehen und dann nimmt man sowas eben mit. 1,10€ kostet das gute Stück, wovon die Hälfte an den Verkäufer geht. Thema dieser Ausgabe ist Integration und es kommen Russlanddeutsche und Polen zu Wort, die in Osna ihre Heimat gefunden haben. Sehr lesenswert!

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christoph schlingensief – so schön wie hier kanns im himmel gar nicht sein!

schlingensiefSeitdem ich Christoph Schlingensiefs Arbeit kenne, verfahre ich immer auf dieselbe Weise: Sofern ich zu ihr Zugang habe, beschöftige ich mich so lange damit, bis ich meine zu wissen, was dahinter steckt oder bis sie mir etwas sagt.

Nun hat er ein Tagebuch während seiner Krebserkrankung verfasst. Es ist eine Aufnahme seiner Wut, des Angriffs auf seine Person, der Thematiken, die sich ihm aufdrängen. Er schwimmt sich frei und man bekommt den Eindruck: Dadurch bekommt er ein Stückchen mehr Lebensqualität.

Das Buch ist ein lesenswertes Dokument der Nichtaufgabe seiner eigenen Person, das einem Aufruf gleichkommt, um sein Leben zu kämpfen.

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zeitungsartikel zur zensurdebatte

Mich hat eben interessiert, wie der Tenor der Zeitungen derzeit zur geplanten Zensur von Internetseiten ist. Sofern die Zeitung eigene Meinungen vertreten, sind diese einhellig dagegen. Die Politiker der Bundesregierung sind wohl derzeit die einzigen, die unbedingt an diesem Vorhaben festhalten wollen.

Berliner Zeitung: Seiten zu sperren,  hilft nicht

Die Zeit: Wie man eine Generation verliert, Keine Allmacht für das BKA, Ein Mäntelchen fürs reine Gewissen, Wider die Ideologen des Internets!

Focus: Überwachung durch die Hintertür

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Von China lernen, Die Spur der Kinderschänder

Frankfurter Rundschau: Internetsperre schränkt Grundrechte ein, Politik verkauft die Leute für dumm

Märkische Allgemeine: Hier wird ein Strohmann aufgebaut

Rhein Zeitung: Eine Zensur findet bald statt

Spiegel online: Sperrlisten für Kinderpornografie: BKA filtert das Web, Die Generation C64 schlägt zurück

Stern: Kinderpornografie im Internet – Operation Ohnmacht

Stuttgarter Zeitung: Aufklären statt absperren

Süddeutsche Zeitung: Zensur wird salonfähig, Sperren – unbrauchbar und schädlich

Tagesspiegel: Peng, du bist tot!

tageszeitung: Fragwürdiger Kabinettsbeschluss

Volksstimme: Untauglicher Versuch

WAZ: Neues von Zensursula

Geradezu belustigend ist eine Aussage, die sich in einem Artikel vom 25. März in der Neuen Osnabrücker Zeitung findet. Der damalige Europol-Chef Max-Peter Ratzel wird dort mit folgenden Worten zitiert:

Bei der großen Mehrzahl der Kinderporno-Konsumenten handelt es sich nicht um technische Experten, die eine Seiten-Sperre ohne Weiteres knacken können.

Die Umgehung der Sperre dauert ohne technisches Expertenwissen genau 18 Sekunden.

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mehr:
Wie die Bundesregierung Kinderpornoseitenklicks errechnet

Das Aufklärungsproblem der CDU

Wie versucht wird, auf Rechtspflichtmissachtungen fremder Staaten mit Grundrechtsbeschränkungen eigener Bürger zu reagieren

eine ausführliche Linksammlung zum Thema findet sich bei hugelgupf.de

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ernst klee – deutsche medizin im dritten reich

Ich komme erst jetzt dazu, Ernst Klee zu lesen und das wird auch höchste Eisenbahn, wenn in meiner Heimat schon eine Schule nach ihm benannt wird.
Dieses Buch ist schon 2001 erschienen und befasst sich mit Karrieren von Medizinern und in der Medizin Tätigen in der Zeit vor und nach 1945. Man kann Klee den Vorwurf machen, dass seine Arbeitsweise nicht ganz wissenschaftlichen Standards entspricht. Aber wer sich mit diesem Buch befasst, merkt schnell, wie kurzgegriffen ein solcher Einwand ist. Ähnlich wie  Daniel Goldhagen in Hitler’s willing executioners, dessen Grundthese ich nicht teile, wartet Klee mit einer ungemein detailreichen Arbeit auf, die beeindruckt und bedrückt. Und so eine Fülle von Informationen will mir wesentlicher erscheinen als Goldhagens eigenwillige Theorie oder Klees Darstellungsweise. Klee lässt ab und an subjektive Einschätzungen zu den beschriebenen Ereignissen einfließen, was dem Text meines Erachtens aber gut tut.

Von Klee kommt in Kürze Das Kulturlexikon zum Dritten Reich als Taschenbuch heraus. Dieses Buch unterliegt derselben Kritik wie oben beschrieben und ist ebenso mit dem Hinweis zu versehen, dass Klees Arbeiten derzeit einfach eine Lücke ausfüllen.

Lesehinweis: ns-eugenik.de

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freitagslesen

Jetzt habe ich mir doch mal den „Freitag“ geholt, die Wochenzeitung, bei der ich mir neulich ein Blog installiert habe. Beim „Freitag“ wurde ja stark versucht, eine Community aufzubauen. Und bei solchen Projekten ist ja immer die Frage: Wenn das Internet als solches schon eine Community ist, wozu dann noch eine?

Über die Printausgabe gibt es positive Dinge zu sagen, wie auch negative. Das Blatt ist ziemlich werbefrei, kostet dafür 2,90€. Damit ist es quasi doppelt so teuer wie meine einstige Lieblingszeitung „Die Woche“, die letzten Endes eingestellt werden musste. Beide Blätter gleichen sich in der Hinsicht, dass sie nicht eine so klassische Aufmachung bieten wie Süddeutsche oder FAZ.

Dafür sind die Texte fast patchworkartig angelegt, ein Zusammenhang ist schwer herzustellen. Oftmals ist der Grund, weswegen da ein Artikel geschrieben wurde, mir auch schleierhaft. Ganz nett finde ich grundsätzlich die Idee, Autorenbeiträge neben die von Bloggern aus der Community zu stellen. Dazu kommen dann Artilkel vom Perlentaucher und von The Guardian. Naja, die kann ich auch noch selber lesen, dazu brauche ich kein Printprodukt. Aber immerhin: Ein schöner Mut zum Anders-Sein.

Begeistert bin ich allerdings nicht von „Der Freitag“. Ich habe dort keinen guten Autor gelesen. Vieles dreht sich um Berlin, entweder thematisch oder durch den Autor, so dass das Blatt teils in die typische Berlin-Spirale gerät: Thematisch intressiert das nur  Berlinaffine bzw. berlinintern und berlinextern interessiert es niemanden. Ich frage mich, wie angedeutet, auch zu oft, was der einzelne Autor mir sagen möchte und oft endet ein Artikel, bevor ich die Frage beantworten könnte.

Aber laut Titel ist das blatt ja auch nur ein „Meinungsmedium“, da muss niemand erklären, beweisen, erläutern, sich stellen. Da pustet man nur seine Meinung raus. Mir scheint dies als tragender Gedanke einer Wochenzeitung zu mager zu sein. So wie Leipzig seine Ostalgie hat halt Berlin seine gefühlte Linksintellektualität. Und vielleicht erklärt mir mal jemand, ob das nicht einfach nur Relikte sind.

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