wes‘ brot guttenberg isst

Die Frau Merkel und der Herr Guttenberg waren am Dienstag bei Lobbyisten eingeladen. Dort durften sie Durchhalteparolen für die deutsche Wirtschaft rausposaunen. Macht man ja gerne für die Lobbyisten.

Der Veranstalter zitiert dabei Herrn Guttenberg wie folgt:

Es müsse für staatliche Maßnahmen klare Kriterien geben. „Diese Kriterien können nicht die Lautstärke des Rufens sein und auch nicht die Medienrelevanz der betroffenen Unternehmen“, so Guttenberg.

Oh, hab ich vergessen, wer Veranstalter war? Das war die heissgeliebte Initiative Neue Deutsche Marktwirtschaft. Diese wird vom lieben Herrn Guttenberg ebenso für ihre mahnenden Worte gelobt. Als mahnend beschreibt die Initiative selbst ihre Aktion, einen Doppelgänger Ludwig Erhardts in New York rumrennen zu lassen. Also, ich glaub ja nicht, dass Medienrelevanz und lautes rufen der INSM für Guttenberg ausschlaggebend gewesen ist, bei denen vorzudackeln. Das wird bestimmt sehr gute andere Gründe haben[1. Ein Video von der Veranstaltung gibt’s bei Spiegel (via) ].

Über diesen Blogartikel der Ludwig-Erhardt-Aktion gerät man flux auch zum Lexikon der INSM. Denn diese Banausen wollen immer noch Begriffe für die Deutschen definieren.

Sehr putzig wird das beim Begriff der Freiheit. Was daherkommt als Begriffsdefinition ist eine lose Ansammlung irgendwelcher Gedanken von Denkern, die man dem Liberalismus zurechnet. Und natürlich meint man: Nur was die Liberalisten denken, ist richtig. An Denkern zitiert man von Hayek und Locke. Raus kommt dabei ungefähr dieser Unfug:

Im liberalen Denken ist deshalb auch die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft verankert: Aufgabe des Staates soll nicht nur die rechtliche Absicherung der individuellen Freiheit sein, sondern auch die Gewährung einer Rahmenordnung, die es den Individuen gestattet, selbständig im Rahmen „spontaner Ordnungen“ (Friedrich A. von Hayek) nach Wegen zu Wohlstand und Glück zu suchen.

So, und nun stellen Sie sich mal einen Staat vor, der alle individuellen Freiheiten gestattet, aber den Individuen spontane Ordnungen verbietet, durch die sie Wohlstand und Glück(!) bekommen können. Hayek selbst hat nie genau dargelegt, was unter einer solchen „spontanen Ordnung“ genau zu verstehen ist.

John Locke wird in diese Chose mit eingebunden, in dem von der Aufklärung behauptet wird,

Die wesentliche Grundlage des Freiheitsprinzips ist die Überzeugung der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, dass jeder Mensch frei geboren, mit gleichen Rechten ausgestattet und vernunftbegabt ist. Eine unabdingbare Voraussetzung der Freiheit ist das Vorhandensein von persönlichem Eigentum.

Das stimmt soweit, zumindest für die englische Aufklärung. In Deutschland war maßgeblich Immanuel Kant beteiligt. Dessen Namen sucht man auf den Seiten der INSM natürlich vergeblich. Der Grund hierfür ist simpel: Kant hat in Ablehnung der Lockeschen Ansicht die Freiheit des Menschen begründet, ohne dabei auf Eigentum zu sprechen zu kommen. Keineswegs ist Eigentum die unabdingbare Voraussetzung von Freiheit. Freiheit bezeichnet nach Kant lediglich den Umstand der Selbstgesetzgebung eines Menschen. Das hat mit Eigentum zunächst einmal nichts zu tun.

Das Geschwurbel der INSM geht dann wie folgt weiter:

Das normatives Grundanliegen des Freiheitsprinzips ist die möglichst große Unabhängigkeit des Einzelnen vom Staat und die Ermöglichung seiner geistig-sittlichen Entfaltung, um in Eigenverantwortung und auch in Verantwortung gegenüber der Umwelt sein Recht auf „Selbsteigentum“ (John Locke) zu wahren. Und holterdipolter holt man dann ungenannt doch Kant noch mit ins Boot: Die Grenzen persönlicher Freiheit werden dort gesehen, wo die Freiheiten anderer verletzt werden.

Für Locke endet Freiheit dort, wo ich von meinen Eigentümern keinen Gebrauch mehr machen kann. Das Freiheitsrechtverletzen anderer ist ein Argument Kants. Das wird von den Verfassern dieser Begriffsmissdeutern einfach mal herbeigewunken. Und diese Masche zieht sich durch das ganze Denken, dass hier im Namen der INSM vorgetragen wird: Unter dem Deckmantel philosophischer Wahrheitsanalyse wird ohne haltbare Argumentation alles frei nach Schnauze in unterstellte Zusammenhänge gepackt, die einzig dem Ziel dienen sollen, der eigenen Position einen wissenschaftlichen Touch zu verleihen. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Schon interessant, von wem sich da unsere Bundesregierung zum Essen einladen lässt, wem es für Mahnung und Orientierung dankt.

Die CDU glaubt übrigens nach wie vor, sozial sei, was Arbeit schafft. _______________________

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der traum einer ideologiefreien internetdebatte

Heinrich Wefing hat bei der Zeit eine Positionierung gegenüber der von ihm so genannten Internetgemeinde dargelegt: Wider die Ideologen des Internets!

Der Text ist nicht uninteressant, wenn ich ihm auch größtenteils nicht zustimme. Wenn Wefing behauptet, es ginge nicht um Zensur, und großspurig von Freiheit spricht oder der angeblichen Rechtsablehnung der Internetgemeinde ( Eine Ideologie: die Ideologie vom wilden, freien, unabhängigen Internet, in dem keine Regeln gelten.) und daher für eine Geltung des Rechts im Internet plädiert, überzeugt mich das nicht: Es geht nicht um die Geltungmachung des Rechts im Internet, es geht um die Rechtsverfolgung. Alle Internetnutzer in einen Pott zu schmeissen und sie als latente Rechtsbrecher und illegale Downloader zu charakterisieren, entlarvt sich ebenso als  zu kurz gegriffen. Im Namen der Freiheit wird der Austritt aus dem Recht propagiert. Das mag ein R.A.F.-Credo gewesen sein, trifft aber sicherlich nicht auf die Masse der Internetnutzer zu.

Werfing kulminiert seinen Gedanken dann in folgendem Satz:

Es geht darum, die Debatte um das Internet zu entideologisieren und das Netz als einen Raum zurückzuerobern, in dem die Geltung des Rechts so selbstverständlich akzeptiert wird wie im richtigen Leben.

Der zweite Teil des Satzes ist natürlich Unsinn. Die Akzeptanz der Geltung des Rechts im richtigen Leben, was nebenbei bemerkt eine Sache der Erziehung und nicht der Juristerei sein dürfte, ist im digitalen Leben dieselbe. Ich habe noch nie davon gehört, dass jemand wegen Rechtsmissbrauchs im Internet verurteilt wurde und sich gegen eine sachlich korrekte Verurteilung erfolgreich wehren konnte. Und Schmu gegenüber rechtlichen Regelungen wird außerhalb des Internets sicherlich intensiver betrieben, ohne gleich davon zu sprechen, dort würden rechtsfreie Räume entstehen[1. Auch der auf derselben Seite publizierte Video-Podcast von Jens Jessen erweckt eher den Eindruck, als ob die Kinder der 70er begriffen hätten, dass der Spruch Teacher – leave us kids alone falsch ist und korrigiert werden müsste. Die 1:1-Projektion auf die Internetgemeinde ist dabei erklärungsbedürftig.]. Auf diese Weise nährt Wefing nur den Verdacht, selbst Reiter einer bestimmten Sache, Ideologie, wie er es nennt, zu sein.

Aber der erste Teil des Satzes ist befürwortenswert. Eine entideologisierte Debatte über das Internet ist absolut wünschenswert. Die Internetgemeinde darf sich schon fragen, inwieweit das Verunglimpfen von der Leyens durch Grafiken nicht ideologisch gewesen ist. Da habe ich so meine Zweifel. Andererseits ist gerade in dieser Debatte bei diesem Auftreten der Politiker die Frage mehr als berechtigt, inwieweit die Politiker ideologiefrei auf sachliche Argumentation konzentriert, vorgehen wollen.

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