deutsche identität

Ich war mal in Dubrovnik auf einer Kant-Tagung und dort meinte ein Philosophie-Professor im Zuge einer Unterhaltung über Europas Verfassung, man solle doch den Begriff der deutschen Identität ad acta legen. Die Deutschen hätte damit keine gute Erfahrung gemacht und genau definiert wäre dieser Begriff auch nicht.

Ich habe mich dagegen ausgesprochen, diesen Begriff los zu lassen; nicht weil ich nationale Gefühle hege, sondern weil ich meine, darunter lässt sich etwas verstehen.

Unter Identität verstehe ich zunächst, dass es eine Vielzahl an Einflüssen gibt, durch die wir unsere eigene Person tagtäglich gekennzeichnet sehen. Erinnerungen, psychische Zustände, Gedanken, soziale und phänomenale Umgebung und so weiter. Ich glaube nicht, dass man jederzeit alle verfügbaren derartigen Einflüsse braucht, um sich selbst als die Person zu identifizieren, die man ist. Aber wenn keine derartigen Einflüsse da sind, oder zumindest nur sehr wenige, dann hat man für sich selbst keine Identität. Vielleicht gibt es dann noch Fotos oder Papiere, die etwas über seine eigene Person aussagen. Wenn man keine Einflüsse hat, kann man anhand derer seine eigene Identität wieder aufbauen.

Wenn man von einer deutschen Identität spricht, dann heisst das, dass es Einflüsse gibt, die aus der deutschen Region stammen. Man liesst deutsche Zeitungen, schaut deutsches Fernsehen, liesst deutsche Bücher etc. Ich glaube nicht, dass es biologisches Deutschsein gibt, das man übertragen könnte. Ehrlich gesagt, ich halte es auch für Blödsinn, so etwas an zu nehmen. Rein wissenschaftlich muss man aber sagen, es gibt keinen Nachweis, dass sich Gedanken biologisch weitergeben liessen. Das können auch die nicht, die irgendetwas in der Hinsicht behaupten und insofern ist es herbeigewunken, derart von einem Deutschsein zu sprechen.

Ich denke, jemand der einer deutschen Linie entstammt, in Deutschland geboren wurde und dann ohne weiteren deutschen Einfluss irgendwo anders aufwächst und sich an anderer Kultur orientiert: Derjenige hat hauptsächlich keine deutsche Identität. Andersherum: Jemand, der einer nichtdeutschen Linie entstammt, und in Deutschland mit all der deutschen Kultur groß wird: Derjenige hat eine deutsche Identität. Vielleicht in Teilen auch eine französische oder amerikanische. Das kommt ganz auf die Einflüsse an. Und diese Einflüsse sind sehr frei annehmbar. Wir haben einen viel besseren Kontakt zu ausländischen Ideen als vor Jahrhunderten. Das spiegelt sich auch in den persönlichen Identitäten wieder.

Und hieraus ergibt sich meines Erachtens ein geradezu logisches Scheitern der deutschen Rechten[1. Man muss den Begriff der Identität nicht deswegen fallen lassen, weil er den Rechten nützt, sondern sollte ihn analysieren, gerade weil er ihnen nur nützt, wenn man das nicht tut. ]: Ihr Identitätsbegriff ist so falsch wie veraltet, ihre Behauptungen über die Welt sachlich nicht überzeugend und keiner Analyse standhaltend, so dass ihnen immer nur bleibt, herauszuposaunen, dass sie Opfer sind: Opfer der aktuellen Politik, der Medien, der Mächtigen, die ihre Macht nur deswegen ausüben, weil sie sie haben. Opfer vor allem ihrer eigenen Engstirnigkeit. Wäre das irgendwie anders, müssten sie nicht dauernd selbstgewählt die Opferrolle bekleiden und müssten neuerdings nicht gekünstelt die Argumente ihrer Gegner über den bösen Kapitalismus annehmen. Da ist nichts eigenes, was heute erfolgreich verwendet werden kann. Kurz gesagt: Keine deutsche Identität, nur Angst, Hass und das Verlangen, eben dieser Angst und dem Hass Gehör zu verschaffen.

An dieser Angst- und Hassidentität haben die meisten Deutschen kein Interesse. Von den Rechten wird hierzu gerne gesagt, dass sei ein Verweichlichungsgehabe, diese Leute seien von den Mächtigen entmündigt. Wer Entmündigten helfen möchte, kann das aber nur durch Aufklärung tun. Aufklärung, die die großen deutschen Dichter und Denker befördert haben. Auf diese Denker verweisen die Rechten als „Denker“ gerne, verkennen aber, dass die großen deutschen Denker alle links gewesen sind.

Die rechtsnationale Idee ist in Deutschland keine Erfolgsgeschichte und die rechten Parteien sind nur bleibende Erinnerung an das stetige Scheitern dieser Idee. Diese Erkenntis ist auch und gerade Teil meiner deutschen Identität.

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