a fine frenzy – one cell in the sea (album)

Für manche ist A fine frenzy noch ein Insider, was der einzige Grund ist, das Album hier aufzuführen. Es ist DAS Album der letzten Monate. Das liegt sicher irgendwo daran, dass neue Musik selten gut ist. A fine frenzy, ein Pseudonym der 22jährigen amerikanischen Sängerin Alison Sydol, macht eigenständigen Singsang, bei dem man nicht genötigt ist, sofort den Weiter-Knopf am CD-Spieler zu drangsalieren. Wer öfters die eine oder ander amerikanische Serie gesehen hat, dem werden einige Songs aus bspw. Dr. House oder CSI: NY bekannt vorkommen. Der beste Song ist der Schmachtfetzen Almost lover, aber auch den Rest kann man sich anhören. Kein Jahrhundertalbum, aber es reicht für ein Paar Runden im CD-Spieler, die Abwechslung bedeuten. In den amerikanischen Billboard-Charts ist das Album nicht eingeschlagen, aber ich bin mir sicher, dass sich das für die junge Dame grundlegend ändernd wird.

A fine frenzy bei MySpace

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ina müller – liebe macht taub (album)

Ja, deutschsprachige Musik, da machte man jahrelang einen größeren Bogen drumrum als der Papst um einen Beate-Uhse-Laden. Da hiess es „Ich kämpf mich durch die Nacht“, „Einen Stern, der deinen Namen trägt“, „Du bist vom selben Stern“, „Du bist mein großer Bruder, du bist immer da“ und weiss der Schinder, was sonst noch. Hat jeder Versuch, aktuell Lieder in deutscher Sprache zu produzieren den Makel, in Kitsch zu ertrinken? Nein, nicht jeder. Ina Müller kämpft dagegen, und das tut sie erfolgreicher als Carolin Fortenbacher, der man dies gewünscht hätte. Gemessen am letzten Album ist das neue Liebe macht taub tatsächlich sowohl inhaltlich als auch musikalisch besser geworden. Abwechslungsreich und mit Schmiss, so dass unsereins sich wünscht, Fräulein Müller wär 10 Jahre jünger und an Typen wir mir interessiert. Gut, da bleibt wohl nur ihre Musik. Aber die kommt langsam, aber gewaltig. Sie besingt die taffe Enddreißigerin von heute, die schon über etwas Lebenserfahrung verfügt und mit dieser klarkommen muss. Quasi eine singende Ildikó von Kürthy, die plattdeutsch kann. Man muss nicht jede Zeile auf die Goldwaage legen und kritisch abschätzen, einfach mal abends auflegen und nebenbei hören, eine angenehme Wirkung wird sich einstellen – versprochen.

Ina Müller zum Reinhören bei Myspace

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lars und die frauen

Lars ist ein Soziopath. Das weiss sein Bruder wie seine Schwägerin. Die aber würde Lars gerne aus dessen verschlossener Welt herausholen, und sei es nur einmalig zum Abendessen. Aber auch dies geht schief, bis… bis Lars ihr von seiner Freundin Bianca erzählt, die gerade zu ihm gekommen sei. Zusammen im Wohnzimmer verschlägt deren Anblick aber Bruder und Schwägerin die Sprache, denn Bianca ist scheinbar für jeden außer Lars eine angekleidete aufblasbare Sexspielzeugpuppe. Um ihn nicht zu verletzen, wird Bianca akzeptiert. Dieser Film ist nicht unbedingt ein Schenkelklopfer, aber als Soziopathenkomödie sehr unterhaltsam. Die eingeschneite Stadt, in der er spielt, passt hervorragend zur fröstelnden Athmosphäre, die oftmals herrscht, wenn Versuche gestartet werden, mit Lars ein Gespräch anzufangen. Lars ist einer dieser Typen, die es bspw. für taktisch sinnvoll halten, während eines Gesprächs zu schweigen und ins Off zu schauen, wenn eine persönliche Frage gestellt wird. Derart produziert er schön nervige Gesprächspausen, aus deren Beklemmtheit kaum herauszukommen ist. Ein Film für alle, die eine Fabel erzählt bekommen wollen, wie man auch aus niederziehender Ödnis Optimusmus schöpfen kann.

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dolores o’riordan – are you listening? (album)

Ich habe die Cranberries Anfang der 90er mal in England gehört, seitdem verfolgt mich die Stimme der Sängerin. Ihr Debutalbum ist etwas der allgemeinen Betrachtung entgangen, was ein großer, großer Fehler ist. O’Riordan hört sich natürlich wie ihre frühere Band The Cranberries an, wobei deren Musik zum Schluss etwas in ein metallern klingendes Geschepper abdriftete. Nur ab und an ragten einzelne Songs heraus. Ihr Debut-Album knüpft nahtlos an alte Songwriter-Qualitäten an. Es gibt ruhige, verstörte, sanfte, aber auch rockige Stücke zu hören. Da müsste für jeden was dabei sein.

Dolores O’Riordan bei Myspace

Bei Amazon kann man in das ganze Album reinhören. Anspieltipps: Ordinary day, When we were young, Loser.

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david baddiel – whatever love means (buch)

Man darf sich vom Titel dieses Buches nicht abschrecken lassen. Der Titel ist genauso wie der Autor für dei meisten Menschen ausserhalb Englands zunächst einmal nichtssagend. Es lohnt sich, beidem hinterher zu gehen. Kurz vor ihrer Hochzeit führten Lady Di und Prince Charles ein Interview mit der BBC. In diesem Interview wurden beide gefragt, ob Liebe der Grund für ihre Hochzeit sei. Lady Di antwortete „Naturally.“, natürlich. Prince Charles antwortete: „Whatever love means.“ Und diese doch irgendwie traurige Haltung, durch das Leben zu gehen, und irritiert davon zu sein, das man nicht genau weiss, was für einen selbst Liebe nur bedeuten mag, trägt Baddiels Buch in sich. David Baddiel ist in England als Comedian bekannt geworden. Zusammen mit Rob Newman füllte er als erster Comedian die Wembley Arena in London mit 12000 Zuschauern. Sein erstes Buch ist ein lustiger Roman über einen Jungspunt, der sich in seine Schwägerin verknallt und dann auf deren interessante Schwester trifft. Mit viel Alltagshumor gespickt ist dies eine sehr lustige Kumpelgeschichte. Sein zweites Buch ist da schon erster, vollkommen humorfrei, aber noch viel besser ist das dritte Buch. Es beschreibt Vic, der ein Verhältnis mit der Frau seines besten Freundes hat. Was zunächst noch als unbeschwertes Vorsichhinleben geschildert wird, ändert sich für die beteiligten Personen in ein nichtvorhergesehenes Fiasko. Das muss jetzt als Inhaltsbeschreibung reichen, auch wenn es nicht einer Analyse gerecht wird, ob und warum, dies hier große Literatur ist. Das Ding ist nur folgendes: Dieses Buch lebt von der Wendung, die es beschreibt. Und es wäre unfair, inhaltlich weiterzuerzählen, da dann das Lesevergnügen doch stark gemindert wird. Und da ich in vollkommener Überschätzung davon ausgehen, dass dieses Buch wegen meiner Fürspraqche gelsesen wird, lasse ich es hierbei. Meines Erachtens ein MUSTREAD, wie man auf englisch sagt, bei dem man erst am Ende das Vorwort zu verstehen weiss.

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olga spears und sergej springsteen

Ich weiss nicht, wie intensiv man in eine Kultur eingeweiht sein muss, um sie zu verstehen. Wenn man sie einigermaßen versteht, hält man sie wohl nicht mehr für merkwürdig. Wenn man das nicht tut, ist es schon seltsam. Aktuelle russische Musik ist Nichrussen eigentlich ziemlich unbekannt und das zu Unrecht. Die dazu gehörenden Videos sind aber schon deswegen bemerkenswert, weil sie zu akzeptabler Musik seltsame Bilder und Geschichten liefern. Sehr bekannt sind z.B. Sängerin Макsим und die Band Звери. Für eingeweihte Russische-Kulturversteher sind die wesentlich angesehener als die ausserhalb Russlands bekannteren t.a.t.u., quasi die skandallose Britney Spears und der Jon Bon Jovi Russlands. Verglichen damit ist t.a.t.u sowas wie Modern Talking.
Макsим oder Maksim macht Süssholzraspeleien in leichter Bekleidung. Das ist noch einigermaßen international. In diesem Video allerdings hoppst sie nur mit String und Hemd bekleidet mit ihrer besten Freundin auf Betten rum und föhnt sich einen.

Musikalisch geht das sicher in Ordnung, klingt etwas nach den Pet Shop Boys. Aber was diese Billigpornoatmosphäre in dieser Sehnsuchtsgeschichte zu suchen hat, verstehe ich nicht.

Dass es auch anders geht, zeigen Звери oder zveri. Deren Frontmann, der mich an den jungen Putin erinnert, quatscht in einer Disco eine rothaarige Schönheit an. Das ist ja auch etwas, was kulturhistorisch sich ein Deutscher nicht trauen würde: In einer Frauendreierrunge eine rauspicken und anquatschen. Das scheint in Moskauer Dissen okay zu sein. Nun ja. Er quatscht sie an, fragt, ob er ihr was bringen kann und sie sagt: „Erdbeeren.“ Was auch sonst. Die Mädels kichern, der junge Putin rennt los, quer durch Moskau und kommt tatsächlich mit einer Packung Erdbeeren wieder in die Disco, wo Fräulein Rotlocke noch wartet. Das Fräulein ist geschmeichelt, fragt, ob er tanzen möchte und er sagt: „Nö.“ Abfuhren verteilen kann ja sooooo Spaß machen:

Gut, es hat auch nie jemand innerhalb der deutschen Kultur verstanden oder erklären können, was Dieter Bohlen mit Geronimo’s Cadillac eigentlich sagen wollte, aber darum drehte es sich auch nicht. Das waren die 80er, Sinn hatte da in der Popmusik keine Bedeutung. Sowas unterstellt man aber sehr wohl anderer Kultur. Und das macht diese russischen Musikvideos doch irgendwie interessant.

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der après-ski-heintje

Dass man, wenn man einen Einblick in andere Kulturen nimmt, etwas verwundert wird, gilt sicher nicht nur für die russische Musikkultur. Die Holländer sind da beinahe Marktführer. Vor ein paar Jahren wurde versucht, ein kleines, dickes Etwas zum neuen holländischen Schlagerstar aufzubauen. Das Prinzip war immer das Gleiche: Wir packen einem kleinen, dicken Jungen ein kleines Wicht an die Seite, lassen ihn über das Wetter oder sowas singen, sinnlose Handbewegungen ausführen und spielen dazu die vordefinierten Melodien auf dem Hohner-Keyboard ab.

Und dieses Prinzip gab es dann in kleinen Variationen:

a. Die Winter-Variante

b. die Techno-Billigpornoambiente-Variante

c. die Erste-Liebe-Variante

d. die Aprè-Ski-Variante

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geschichte des politischen denkens

Manfred Brocker – Geschichte des politischen Denkens, Ein Handbuch, Suhrkamp 2007
Dieses Handbuch beansprucht, eine Lücke etwas schließen zu können, die trotz vieler Bücher zu klassischen philosophischen Denkern bestünde. Es gäbe keine knackigen Darlegungen von den Hauptwerken, man finde immer nur eher Biographisches. Der große Umfang des Buches enttäuscht dann auch nicht auf den ersten Blick. Man findet 53 Artikel zu wichtigen Werken von u.a. Platon, Aristoteles, Cicero, Hume, Kant, Montesquieue, Nietzsche, Hegel, Luther, Rawks, Habermas und und und. Will man einen der besprochenen Autoren grundlegender kennenlernen, so ersetzt dieses Buch natürlich nicht die Lektüre der einzelnen Autoren. Aber für Erläuterungen der einzelnen Werke ist dies ein sehr anregendes Buch, dass sich jeder Student, der in diese Richtung arbeitet, einmal genauer anschauen sollte.

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wehlers humanismus

Erneut hat es das Forum offene Wissenschaft in Bielefeld geschafft, Hans-Ulrich Wehler für einen Vortrag mit dem Titel „Die Idee der Humanität in Geschichte und Gegenwart“ zu gewinnen.
Das letzte Mal, dass ich Wehler im FoW gesehen habe, wetterte er eindrucksvoll und bestimmt, manche werteten das als polemisierend, gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU. Damals erzählte er eine Anekdote über den seinerzeitigen Außenminister Joschka Fischer. Den habe er in Berlin auf einer Party getroffen und nachdem man den einen oder anderen intus hatte, soll Fischer einen Vergleich zu Genscher gezogen haben: „Halb soviele Amtsjahre, aber doppelt soviel Flugmeilen!“ Dem Publikum gefiel natürlich diese Anekdote, man traute sie Fischer ja auch ohne weiteres zu. In diesem Kontext wirkte sie allerdings befremdlich, aber Wehler konnte sie sich leisten.
Heute Abend nun sprach Wehler über Humanismus. Man durfte gespannt sein, schliesslich wagte Wehler sich damit ausserhalb seines Forschungsbereichs. Dies räumte Wehler vor einer hörsaalfüllenden Fangemeinde auch ein, warb aber dafür den Humanismus als europäisches Kulturgut, das auf dem Christentum aufgebaut worden sei, weiter zu befördern. Das Christentum habe gezeigt, dass es ein derartiges Kulturgut verbreiten könne. Daher habe er auch nichts dagegen, es in eine europäische Verfassung Gott einzubinden, da der christliche Glaube eben auch europäisches Kulturgut sei, auch wenn er selbst die jüdische Religion der christlichen in inhaltlicher Sicht bevorzugen würde.
Bezogen auf letzteres sagte er, es sei leichter an einen einzigen gesetzgebenden Gott zu glauben als an ein gemischtes Team aus Gott, Engeln und sonstigen Wesen. Wehler betonte, in einem derartigen Rahmen sei es immer ratsam, den Inhalt mit einer politischen Aussage zu verknüpfen, das erklärte sein Werben für die Anerkennung des Humanismus als europäischem Exportschlager. Andere Religionen oder Amerika mit seinem Way-of-life hätten eine derartige Wertetradition nicht vorzuweisen.
Und an diesem Punkt sprach Wehler, der jahrelang in den Vereinigten Staaten lehrte, doch noch etwas für mich interessantes an. Ihn habe dieser starre, unerschütterliche Glaube an den american way of life immer irritiert. Die Geschichte des Tellerwäschers, der zum Millionär wird, würde immer wieder durch die eine oder andere derartige Geschichte bestätigt, während sich niemand über die oftmals fehlende Krankenversicherung wunderte. Der Glaube, der Einzelne müsse nur hart genug arbeiten, dann bekomme er schon seinen verdienten Lohn, sei wesentlich grundlegender verankert als die Idee von einer umfassenden Sozialversorgung.
Jetzt leuchtet mir schon eher ein, weswegen aktuelle amerikanische Filme ums Verrecken nicht auf den Einen, der alle rettet, verzichten kann, aber Rawls‘ Theorie muss ich darauf hin nochmal testen.

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donots – coma chameleon (album)

Auf eigenen Füßen präsentieren sich die Ibbenbürener Donots im Jahre 2008, und das ist schon mal eine Bemerkung wert. Nach Pech mit den alten Labels sind sie nun auf dem Label ihres Frontmann Ingo beheimatet. Die Donots waren bislang als Garagenpunkband bekannt. Das bedeutet, dass sich ihre Texte sehr oft nach deutschen Punkimitatoren anhörten, die vokabularbeschränkt versuchen, simple Themen in noch simplere Texte zu fassen. Dabei wird des öfteren Schreien mit Singen verwechselt. Auf Konzerten ist das weniger auffallend, da dort lautstärkenbedingt eh kaum eine Möglichkeit besteht, Texte zu verstehen. Und das ist genau der Eindruck, den die Donots auf diesem Album bestätigen, zumindest mit den ersten 6 Songs.
Danach entsteht ein doch merkwürdiger Wechsel. In „Stop the clocks“ erinnern sie ein wenig an Fury in the Slaughterhouse. „The right kind of wrong“ ist eine durchaus gute Rocknummer. Und dieser eher rockige, vergleichsweise ruhige Touch zieht sich durch den Rest des Albums. Ingo singt sogar, anstatt zu schreien. Guuuuuut, die Texte sind immer noch nicht publitzerprizeverdächtig und Ingos Stimme reicht für diese Lieder gerade so aus. Aber musikalisch machen die Donots einen fast gereiften Eindruck. Ich kenne gerade keine andere deutsche Band, die ein derart gemischtes Album hinkriegen würde. Kleiner Kauftipp meinerseits.

erste Auskopplung: Break my stride

Und für alle, die sie noch gar nicht kennen: Saccherine smile

Donots im Internet

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